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Aus der polnischen Presse Prof. Dr. Malgorzata Czabanska-Rosada - Korrespondenz und Übersetzung Beiträge und Bilder entstammen teilweise den Zeitungen „Gazeta Lubuska“ und „Glos Miedzyrzecza i Skwierzyny” redigiert von Dariusz Brozek, Leszek Kalinowski, Aleksandra Gajewska-Ruc, Andrzej Chmielewski, Lidia Radzion und Dorota Lipnicka Miedzyrzecz / Meseritz Sanktuarium der Ersten Polnischen Märtyrer in Meseritz Seit vier Jahren bildet Meseritz einen sehr wichtigen Punkt auf der Sakrallandkarte der Region und Diözese. Im November 2013 wurde die von Pallottinern gebaute Kirche in den Rang eines Sanktuariums erhoben. Dieses, obgleich erst vier Jahre alt, wurde zum Zentrum des religiösen Lebens der Stadt und zum Wallfahrtsziel. Die Kirchengemeinde wurde im August 1999 gegründet. Der damalige Bischof der Diözese Grünberg-Landsberg, Adam Dyczkowski, widmete die Gemeinde den Pallottinern. Im Sommer 2000 hatte der Bau der Kirche begonnen, die heute ein geistliches Herz der Stadt ist. An ihrer Inneneinrichtung wird bis heute gebaut. Der Altar wurde mit Sandstein belegt und im Herbst 2016 wurden neue Sitzbänke aufgestellt, gefertigt von Tischlern aus Podhale im Karpatenvorland. Das wichtigste und wertvollste Element der Ausstattung ist ein 120 kg schweres Reliquiar mit Gebeinen der Benediktinermönche Benedikt, Isaak, Matthäus, Johannes und Christian, die in der Nacht vom 10. zum 11. November 1003 ermordet wurden. Das Reliquiar kam im Jahr 2001 nach Meseritz. Immer häufiger halten Busse mit Gläubigen aus ganz Polen, aber auch aus Tschechien und der Slowakei, auf dem Parkplatz vor der Kirche. In beiden Ländern sind die „Meseritzer Brüder“ Gegenstand besonderer Verehrung. So lebten und starben die Sarmaten Sargporträts sind eine Seltenheit in der europäischen Kulturgeschichte. Früher hatten sie die Funktion eines Bindeglieds zwischen Polen und Deutschen, Katholiken und Protestanten. Im Meseritzer Museum bleibe ich vor einem „merkwürdigen“ Porträt stehen. Sein Format ist ungewöhnlich. Es stammt aus dem Jahr 1672 und stellt Ewa Bronikowska aus Kurzig bei Meseritz dar. Die Dame zeigt sich in einer Art Hochzeitsgewand; goldene Locken, ein Kollier auf dem schneeweißen Hals, Ohrringe und ein mit einer Schleife gebundenes Kleid. Dabei war sie bei ihrem Tod noch keine zehn Jahre alt. Der Maler blieb unbekannt. Heute wird ihr Porträt als Ikone der polnischen Sargporträtmalerei anerkannt. Es ist um die ganze Welt gereist, wurde in den größten Museen und Galerien Europas und der Welt ausgestellt. „Sargporträts waren eines der Elemente der Bestattungsbräuche der Sarmaten (ursprünglich ein südosteuropaÅNisch-asiatisches Reitervolk). Inskriptions- und Wappentafeln bildeten weitere Bestandteile davon. Wir haben hier im Meseritzer Museum die größte Sammlung dieser Dinge“, erzählt Andrzej Kirmiel. Das Meseritzer Museum trägt den Namen Alf Kowalskis, seines Begründers und ersten Direktors. Er kam 1945 nach Meseritz. Zuerst arbeitete er in der Starostei; seine Tätigkeit bestand darin, Kunstwerke aus verlassenen Gutshäusern und durch die Rotarmisten verwüsteten katholischen und evangelischen Kirchen zu bergen und damit vor Dieben zu schützen. Es gelang ihm, hunderte von wertvollen Exponaten zu retten. Seinem Engagement ist es zu verdanken, daß das Museum sich heute im Besitz von 43 Sargporträts und über 180 Inskriptionsund Wappentafeln befindet, die im 17. und 18. Jahrhundert untrennbare Bestandteile der Bestattungszeremonien und der Adelskultur waren. Statt des polnischen Adlers der rote Stern Auf dem sowjetischen Friedhof in Meseritz wurden auch Überreste polnischer Bürger beigesetzt; und dabei steht auf allen Informationstafeln nur, daß hier sowjetische Soldaten ruhen. Ein Skandal oder eine postkommunistische Realität? „Es ist unzulässig, daß polnische Soldaten ohne entsprechende Kennzeichnung auf dem sowjetischen Friedhof liegen. Alle Schilder weisen nur darauf hin, daß dies eine Ruhestätte sowjetischer Soldaten ist; kein Wort über Polen. Für mich ist das eine Verdrehung der Geschichte. Ich will, daß die Besucher dieses Orts darüber informiert werden, daß hier auch polnische Soldaten bestattet sind“, sagt Zbigniew Kolis aus Meseritz. Statt des polnischen Adlers ist auf den Grabplatten der polnischen Soldaten der rote Stern dargestellt, was viele Meseritzer Bewohner empört. Historische Denkmäler in der Ausstellung junger Künstler Die Ausstellung kann man in der Meseritzer Bibliothek besichtigen. Die präsentierten 39 Arbeiten stellen historische Objekte der Region dar. Dreizehn von ihnen werden als Illustrationen des für 2018 geplanten Stadtkalenders verwendet. Die jungen Künstler erhielten schöne Geschenke von Sponsoren. Das Ziel des Vorhabens war die Förderung von Kenntnissen über die Heimatregion. Umzug der Heiligen Drei Könige Am Freitag, dem 6. Januar, zog ein großer Umzug der Heiligen Drei Könige durch die Straßen der Stadt. Drei Meseritzer Kirchengemeinden hatten sich am Schloß versammelt, Priester und die Heiligen Drei Könige bildeten die Spitze des Zuges, dahinter gingen viele Stadtbewohner, vorwiegend Kinder. Alle waren lustig bekleidet, Gesänge ertönten während der ganzen Dauer des Umzugs. Zum Abschluß nahmen alle an einer heiligen Messe teil. Spielerischer Umgang mit Fotografie Die Fotosektion des Meseritzer Kulturzentrums zeigte im Januar eine interessante Ausstellung von Werken der Teilnehmer eines Foto-Workshops. Junge Menschen lernten, interessant und innovativ zu fotografieren. Die Ausstellung begegnete großem Publikumsinteresse. Manche Arbeiten waren nicht nur innovativ sondern auch experimentell. Die Fotos waren traditionell auf Papier gedruckt, aber auch auf Glas, Styropor, Stoff, Keramik und Metall. Die Herstellung guter Fotos verlangt neben einem guten Maß von Tüchtigkeit auch Präzision. Historische Denkmäler im Wintergewand Die Meseritzer Stadtverwaltung hat im Dezember 2016 eine Serie von Ansichtskarten herausgegeben, die historische Denkmäler der Stadt im Wintergewand darstellen. Diese Postkarten sind eine Art Werbung für die Stadt. Man kann sie nicht nur im Rathaus sondern auch im Schloßbistro und im Museum kaufen. Polnisch-holländische Freundschaft Kurz nach Jahresanfang hatten die Meseritzer Gymnasiasten Kolleginnen und Kollegen aus einem befreundeten Gymnasium in Groenlo in Holland zu Gast. „Seit ein paar Jahren haben wir den Austausch geplant; und wir haben es endlich geschafft. Es ist der erste Austausch zwischen unseren Schulen, aber bestimmt nicht der letzte“, sagt Monika Szypczak, die Lehrerin. Die Gäste wohnten bei den Schülern zu Hause und verbrachten die ganze Woche ihres Aufenthalts aktiv, wobei sie ihre polnischen Freunde und polnische Traditionen kennenlernten. Bevor es zum Treffen kam, kommunizierten die Schüler per Internet miteinander. Das half, so waren sie einander nicht mehr fremd. Es wurden viele Begegnungen organisiert, unter anderem Ausflüge nach Breslau, Besichtigung der Festungsanlagen des Oder-Warthe-Bogens und der Ausstellung im Museum Meseritz. Die holländischen Gäste begeisterten sich auch für die polnische Küche, die sich durch frisch zubereitete Speisen auszeichnet und in der weniger Platz für »Fast Food« ist als in Holland. Es entstanden Freundschaften und nächstes Jahr sollen Meseritzer Gymnasiasten einen Gegenbesuch in Groenlo machen. Dies motoviert sie schon jetzt, noch intensiver Deutsch und Englisch zu lernen, denn in diesen Sprachen hat man sich gut verständigen können. Betsche / Pszczew Zu Besuch beim Schuster Nachdem der Kunde in den Regalen des Schuhgeschäfts von Feliks Pazdziorek nichts Passendes für sich gefunden hatte, lud ihn der Meister zu sich nach Hause ein, wo er seine Schusterwerkstatt betrieb. Dort nahm er Maß, paßte den Leisten an und wählte das Leder aus, um bequeme und solide Schuhe zu nähen. Das Haus des Schusters kann man heute noch besuchen. Das im 19 Jh. umgebaute Gebäude wurde in den 80er Jahren des 20 Jhs. gründlich restauriert, wodurch es sein ursprüngliches Aussehen wiedererlangte. Im Haus befindet sich auch das Regionalmuseum. Es ist leicht zu finden, der auf einem hohen Steinsockel errichtete Holzbau unterscheidet sich deutlich von den Nachbargebäuden auf dem Betscher Markt. Ins Auge fällt das schmale Schindeldach, das zwei Drittel der Gebäudehöhe einnimmt. Hier wurde Feliks 1874 als Sohn eines Schusters und einer Bauerntochter geboren. Sein Haus ist ein Zeugnis des Kunsthandwerks, das jahrhundertelang die Erwerbsgrundlage der Betscher war. Zugleich legt es Zeugnis ab vom Betscher Polentum der Zwischenkriegszeit. Wenn man das Haus betritt befindet man sich im Geschäft, wo Schuhe auf Regalen aufgereiht sind. Hier bediente der Schuster auch diejenigen Kunden, die Maßschuhe haben wollten. Außer dem alten Ladenschild gibt es in dem Zimmer ein Foto von Feliks Pazdziorek und weiterer Mitglieder von RODLO, dem Bund der Polen in Deutschland, deren einer der Hauptaktivisten Pazdziorek war. Er leitete die Betscher Ortsgruppe und war nach dem Zweiten Weltkrieg gleichzeitig erster und letzter Bürgermeister des Städtchens, das noch 1945 seine Stadtrechte verlor. Aus dem Foto schaut ein Mann mit buschigem Schnurrbart, seine Augen verraten seinen unbeugsamen Charakter. Kunden, die in die Werkstatt gebeten wurden, mußten durch den Wohnbereich und auch die sogenannte schwarze Küche gehen, die heute eine besondere Attraktion darstellt. Sie stammt aus dem 17. Jh. und ist typisch dafür, wie die Küche in einem Bürgerhaus aussah. Sie enthält einen Kochherd, Alltagsbesteck und einen Backofen. Das große Wohnzimmer mit Balkendecke, in dem sich früher das tägliche Leben abspielte, ist eine wahre Geschichtsstube. Es beherbergt eine Dauerausstellung, die die polnisch-deutsche Geschichte des Städtchens darstellt. Im Museum kann man auch den archäologischen Teil der Sammlungen bewundern, die im Zuge entsprechender Ausgrabungen in der Umgebung gefunden wurden. Dem Wohnzimmer unmittelbar gegenüber befindet sich die sogenannte Kammer, die dem Meister als Werkstatt diente. Hier stehen u.a. eine Presse vom Anfang des 20. Jhs. und Maschinen zur Herstellung von Sohlen und Schäften. An der Wand hängt eine Sammlung von Holzleisten, sie zeugt von der großen Kundenzahl. Die auf Bänken ausgelegten Werkzeuge scheinen darauf zu warten, daß Feliks in der Tür erscheint und sich an seine tägliche Arbeit macht, indem er sich auf den bequemen Hocker aus Holz setzt. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurden Hab und Gut Pazdzioreks beschlagnahmt und seine Werkstatt geschlossen. Er selbst wurde für ein halbes Jahr in Zwangsarbeit geschickt. Er kehrte dann nach Betsche zurück, wo er 1955 starb. Bis zu seinem Tod blieb er seinem erlernten Beruf treu. Neue Stege für den Scharziger See Neue Stege, drei Meter breit und insgesamt 150 m lang, sollen im Frühjahr am Scharziger See errichtet werden. Dies ist sicher eine gute Nachricht sowohl für die Bewohner wie für die Touristen, die sich hier im Sommer gern erholen. Eine zusätzliche Attraktion soll eine Aussichtsterrasse sein. Der Scharziger See ist der beliebteste Badeort der Region und zieht viele Touristen an, die auch die Schönheit der Natur schätzen. Der See hat 198 ha, seine maximale Tiefe beträgt 14,5 m. Entlang des Ufers befinden sich Erholungszentren, Zeltplätze und Restaurants. Der Förster hilft einer jungen Frau Über Miroslawa Gorna, genannt Mirka, wurde schon mehrfach berichtet. Sie leidet unter einer schweren Knochenkrankheit. In Betsche kennt sie jeder und alle wollen ihr helfen. Auch der bekannte Forstmann Jaroslaw Szalata, Autor eines vielgelesenen Blogs über die Wälder um Betsche, wollte helfen. Gerade erschien sein neues Buch „Das Jahr eines Försters“. Beim Leseabend des Autors waren über hundert Personen versammelt. Szalata erzählte hochinteressant über den Wald und seine Bewohner. Die Teilnehmer konnten das Buch auch gleich erwerben und damit die junge Frau in ihrem Kampf mit der Krankheit unterstützen. In dem Buch stecken fünf Jahre Arbeit Szalatas, es liegt im Taschenbuchformat vor und umfaßt 388 Seiten. Der Autor ist eine bekannte Persönlichkeit nicht nur in Betsche, sondern in der ganzen Region. Die Autorenlesung erbrachte eine Sammlung in Höhe von 400,00 Euro. Mirka Gorna freut sich nicht nur über das Geld sondern ist angerührt durch die Solidarität der Menschen mit ihr und ihrem Schicksal. Mit der Natur in Einklang, der Geschichte bewußt So lautet das Lebensmotto von Lukasz Robak. Von den Lesern der „Gazeta Lubuska“ wurde er zum „Mann des Jahres 2016“ gewählt. „Unser Ziel ist, den Kranken zu dienen. Unser Betrieb wird in Zukunft eine medizinische Funktion erfüllen, aber in anderer Weise als ein Krankenhaus“, sagt er. Robak ist bekannt, obwohl er nach Betsche zugezogen ist, hier also keine Wurzeln hat. Aber dieser zwischen Wäldern und Seen liegende Ort ist seine ganze Welt. Ein Zufall verschlug ihn hierher, wo ein zugrunde gehender Gutshof auf ihn wartete. Mit dem neuen Eigentümer entfaltete sich ein neues Kapitel der Geschichte von Gut von Hiller-Gärtringen (Folwark Pszczew). „Betsche erschien eher unerwartet in unserem Leben. Wir wollten unsere Landwirtschaft bei Küstrin/Oder erweitern und Flächen dazukaufen. Ich kann mich noch gut erinnern. Auf der Suche nach einem passenden Angebot begegneten wir einem Beamten, der direkt sagte: „Kauft Euch ein Schloß!““, sagt Robak. Das besagte Schloß war in der ersten Hälfte des 19. Jhs. an der Stelle errichtet worden, wo sich die Posener Bischöfe ab dem 17. Jh. erholten, rehabilitierten und die Schönheit der Natur genossen. Nach der Zweiten Teilung Polens wechselte das Gut mehrfach seine deutschen Eigentümer. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es verstaatlicht und verfiel allmählich. „Auf Fotos hatte ich einen Trümmerhaufen gesehen, den niemand haben wollte. Aber ich beschloß, mir alles anzusehen. Es war im Mai. Wir waren gerade in Betsche angekommen, die ersten Eindrücke werde ich nie vergessen. Wunderschöne Hügel, gelber Raps auf den Feldern, blaue Seen, ringsum Wälder. Ich war schon verliebt, bevor ich überhaupt richtig angekommen war.“ Von Anfang an empfand er eine enge Verbundenheit zu dem Ort. Auch anfängliche Probleme konnten ihn nicht entmutigen. „Mitte 2005 wurden wir Eigentümer; und wir begannen mit der Wiederinbetriebnahme der Brennerei. Alles mußte erneuert werden Elektrizität, Kanalisation, alles! Wir nahmen uns vor, den historischen Charakter zu erhalten. Deswegen studierten wir alte Aufnahmen und Pläne. Wir unternahmen große Anstrengungen, die Vergangenheit wieder aufleben zu lassen und ich meine hier nicht die kommunistische Zeit, sondern die Epoche, in der die Posener Bischöfe hier wirkten.“ Lukasz Robak strahlt Energie und Eifer aus. Die Brennerei, die mit ihren Gästezimmern und dem Restaurant heute das Zentrum des Ensembles bildet, war noch nicht wieder revitalisiert, da ließen sich Lukasz Robak und seine Frau Zaneta schon häuslich in dem Gebäude nieder. Von hier aus konnten sie den Fortgang der Arbeiten besser überwachen. Sie fuhren in der ganzen Gegend umher, stöberten in Dachböden und kauften altes Mobiliar für das neue Gutshaus. Sie wollten der Ausstattung eine „Seele“ einhauchen. „Ich wußte von Anfang an, daß in diesem Ort viel Potential steckt. Menschen fühlen sich hier wohl. Auch deswegen verfolgen wir das Ziel, hier eine Art Reha-Zentrum zu entwickeln, das sich kranken Menschen zuwendet.“ Er hat ernste Pläne und will ein Zentrum für Zivilisationskrankheiten eröffnen, eine wissenschaftlich- medizinische Einrichtung. „Sollte unsere Vision Realität werden, so wird dies auch eine Chance für die gesamte Region sein. Der Kreis Meseritz verfügt über ideale Voraussetzungen für eine ökologische Entwicklung“, fügt er an. Zu den Zukunftsvorhaben gehört auch eine Vergrößerung des schon geschaffenen Weinbergs. „Es ist ein Symbol des Orts. Von hier aus wurden Weintrauben an fast 60 Kirchengemeinden des Archidiakonats Betsche geliefert. Diese Tradition wollen wir wiederbeleben. 2017 wollen wir unseren Weinberg um weitere 4 Hektar erweitern“. Die Familie Robak strebt nicht nur nach eigenem materiellem Wohlstand, sie betätigt sich auch in vielen Ehrenämtern und als Mäzene. „Solche Aktivitäten werden von den Menschen unterschiedlich bewertet, weshalb wir oft anonym bleiben." Die Eheleute haben die Stiftung für Deutsch-Polnische Nachbarschaft gegründet und engagieren sich in vielen karitativen Unternehmungen. „Wir wollen damit anderen etwas davon abgeben, was wir selbst bekommen haben. Ich habe z.B. ein Stipendium vom deutschen Staat bekommen, wodurch ich mein Studium mit Doppeldiplom in Polen und Deutschland machen konnte“, sagt Lukasz Robak. Bobowiecko / Bobelwitz Essen mit Hingabe nach alten Rezepten Die Tische beugten sich unter der Last der Speisen, die von den Schülern der zweiten Klasse der Fachrichtung Gastronomie des Bobelwitzer Schulungszentrums zubereitet worden waren. Hier lernen die jungen Leute kochen. Diesmal war es aber kein gewöhnlicher Unterricht sondern ein Wettbewerb, in dem es galt, Gerichte nach Rezepten der ältesten Ortsbewohner zuzubereiten. Verwendet wurden Wild, Pilze und Beeren, an denen es in der Region nicht fehlt. Auch verfügt die Region über einen reichen Schatz an Gerichten verschiedener Kulturen, deren Rezepte altüberliefert sind. Die Veranstalter beabsichtigten, mit dem Wettbewerb die Tradition guter, gesunder Küche wiederzubeleben. Auf den Tischen landeten Pasteten, Rouladen, Kartoffelpuffer, Klopse und vieles mehr. Die Jury hatte bestimmt Probleme, alles zu kosten und später noch zu benoten. Gorunsko / Grunzig Das Mausoleum der Familie Büttner Das Mausoleum der Familie Büttner sieht aus wie ein antikes römisches Bauwerk. Es ist eines der geheimnisvollsten und zugleich am wenigsten bekannte Gebäude im Kreis Meseritz. Das monumentale Grabmal befindet sich einige hundert Meter hinter der Südgrenze des Dorfes Grunzig. Man gelangt dorthin über einen eichengesäumten Feldweg. Das Mausoleum wurde um die Wende des 19. zum 20. Jh. errichtet. Die Familie Büttner war damals die reichste Familie in der Umgebung und setzte ihre Verstorbenen dort bei. Der Bau ist heute in sehr schlechtem Zustand. Das Dach ist eingefallen, die Grabkammer ist leer. Dieses einzigartige Denkmal bedarf dringend einer Renovierung. Wojwodschaft Lebuser Land 1945 mischten sich Freude und Angst Am 14. Februar 2017 wurde im Grünberger Museum für die Geschichte der Wojwodschaft Lebus eine Ausstellung unter dem Titel „Um uns herum eine fremde Welt die ersten Nachkriegsjahre im Lebuser Ländchen“ eröffnet. Sie ist in erster Linie denjenigen gewidmet, die als Erste in diese Gebiete gelangten. Aber nicht nur. Die Ausstellung wiederspiegelt eine große Völkerverschiebung. Wir haben also Polen aus den polnischen Ostgebieten, den sogenannten kresy, Ankömmlinge aus Großpolen (Provinz Posen) und Zentralpolen. Dem Besucher wird ein breites Spektrum über die ersten Jahre polnischer Anwesenheit im Raum der mittleren Oder vor Augen geführt. „Das wichtigste sind die Gespräche mit Zeugen jener Tage, die man in der Ausstellung abhören kann“, sagt Dr. Anita Maksymowicz, die Kuratorin. „Viele Leute erinnern sich an diese Zeit mit Tränen in den Augen. Eine Illustration der Schicksale ist für mich die Geschichte von Frau Adela Gorgulewicz aus Sbarasch (heute Ukraine). Bis Mai1945 lebte sie zunächst in ihrem eigenen Haus mit einer ukrainischen Familie. Später, nachdem sie hier eingetroffen war, lebte sie mit einer deutschen Familie unter einem Dach, die sich darauf vorbereitete, ihre Heimat zu verlassen. Und als polnische Soldaten diese älteren Menschen bei der Vertreibung herumschubsten, sagte sie, daß sie sich schämen sollten. Sie schaute aus Erinnerung an ihr eigenes Schicksal auf diese Ereignisse.“ Mit jedem Schritt tauchen wir tiefer in jene Welt ein. Und erst jetzt können wir die Traumata jener schrecklichen Zeit loswerden. Wir fangen an, die Angst, die Armut, den Hunger und die Unsicherheit zu empfinden. Das alles, gekleidet in den Mythos der sogenannten wiedergewonnenen Gebiete sollte damals als das „Gelobte Land“ wahrgenommen werden. Damals, 1945, schrieb die Zeitung „Glos Wielkopolski“ (Großpolnische Stimme): „Leute, die Lust auf kreative Arbeit haben, sollten sich auf den Bahnhof begeben und in einen Zug Richtung Westen steigen. Morgen werdet Ihr glücklich sein!“. Wenn man solche Texte liest, drängen sich einem Parallelen zu der Zeit auf, als Kolonisten und Siedler in Amerika den Wilden Westen eroberten. Die 1945 künstlich konstruierte Darstellung der Geschichte der an Polen gefallenen Westgebiete wurde in der Ausstellung jedoch ihrer Legende beraubt. „In der Ausstellung gibt es viele Gegenstände, die besonders beachtenswert sind“, fügt Maksymowicz hinzu. „Das sind Bilder von den Transporten der sogenannten Repatrianten, also Aussiedler vom Osten, Pferde von der UNRRA, Trümmerlandschaften, Trümmerbeseitigungsszenen, aber auch Kinderspiele. Zeitzeugen behaupten jedoch, daß die Freude vorherrschte, daß der Krieg endlich beendet war.“ Es gibt auch authentische Dokumente, die mehr erzählen als dicke wissenschaftliche Bände. Die Veranstalter betonen, daß sie ein so großes Interesse für die Ausstellung nicht erwartet hatten. Und noch eines hat sie überrascht unter den Besuchern überwiegen junge Leute. Wahrscheinlich suchen sie nach ihren eigenen Wurzeln. Eine Kindheit in menschenfeindlicher Erde Sibirien ist für manche Bewohner der Wojwodschaft Lebus nicht nur ein geografisch definiertes Gebiet sondern ein Begriff für Menschenfeindlichkeit; und der 10. Februar erinnert sie jedes Jahr an den Anfang der Verschleppung polnischer Bürger nach Sibirien durch die Sowjets. Um das zu verstehen müsste man in den „Kresy“, den ehemaligen polnischen Ostgebieten, zur Welt gekommen sein. Am 10. Februar 1940 begann die Sowjetunion die erste von vier großen Deportationen polnischer Staatsbürger. Nach Angaben der NKWD wurden im Zuge dieser Maßnahme etwa 140.000 Menschen nach Nordrußland und Westsibirien verschleppt. Während der vier Deportationen wurden insgesamt 340.000 Menschen ausgesiedelt und zwangsdeportiert. Ziel der Sowjets war das Auslöschen polnischer Eliten und die Versorgung des Sowjetimperiums mit billigen Arbeitskräften. Auf die Frage, woran aus Sibirien er sich erinnert, antwortet Janusz Piechowiak: „Ich habe viele Erinnerungen, obwohl ich damals erst vier Jahre alt war. Ich habe versucht, diese Erinnerungen zu verdrängen; weil das keine guten Erinnerungen sind. Hunger, Läuse…, aus Sibirien ist mir eines geblieben: eine große Hochachtung vor Brot. Und der Umstand, daß ich so schnell esse. Und immer muß ich einen vollen Kühlschrank haben. Meine Mutter packte noch Jahre danach altes Brot in Säcke. Und noch eines: als wir schon auf dem Weg nach Polen waren habe ich auf dem Bahnhof in Podlachien (NO-Polen, Raum Bialystok) mit Brot vollbeladene Körbe gesehen, da dachte ich bei mir, dies ist der siebente Himmel.“ Sein Vater geriet noch vor der Verschleppung in sowjetische Gefangenschaft. Am 13. April 1940 kamen zwei NKWD-Soldaten. Sie zeigten zuerst ein Papier mit der Information über die Aussiedlung vor und deuteten dann auf vor dem Haus schon bereitgestellte Schlitten. Die Mutter, die Großmutter, Schwester Teresa und er als Dreijähriger mußten bei der Hausdurchsuchung dabei sein. Die Sowjets suchten nach Waffen. Obwohl sie nichts fanden, mußte die Familie ihre Habseligkeiten packen und weggehen. Er erinnert sich noch an die Angst und das Entsetzen. Eine Bahnstation, kalte, fremde Viehwaggons, höhnisches Lachen der sowjetischen Soldaten und der gellende Knall, mit dem die Waggontür verschlossen wurde. Damals erfuhr er zum ersten Mal, was Hunger ist. Unterwegs gab es nur „Kipjatok“ heißes Wasser mit Grütze und Öl. Diese Ernährung verursachte Durchfall. Und im Waggon gab es nur ein Loch in der Mitte. Das war die erste Stufe der Demütigung. Und wie sich später zeigen sollte - nicht die letzte. Eintöniger Rhythmus des fahrenden Zuges, Menschen dicht gedrängt im Waggon. Einmal sahen sie majestätisch hohe und kalte Berge. Jemand sagte, es ist der Ural, die Grenze zu Asien. Und sie fuhren weiter. Sie weinten. In der Sowchose Arschalin, in der sie ankamen, standen sie auf der flachen Steppe. Um ein Dach über dem Kopf zu haben sollten sie Erdhütten bauen. Drei Monate hat der Bau gedauert. Die „Ziegel“ bestanden aus Grassoden, das Dach aus Schilf, das Fenster eine kleine Scheibe ohne Rahmen. In jeder Erdhütte mehrere Familien. Die Mutter arbeitete in der Steppe, wo sie Maisreste aus dem Schnee ausgrub. Hatte sie einige Körner nach Hause geschmuggelt, wurden diese in der Kaffeemühle gemahlen, mit heißem Wasser übergossen und als Maisbrei gegessen. Jedes Jahr wurde es schlimmer. Nach dem Ausbruch des Krieges mit Deutschland gab es fast gar nichts mehr zu essen. Der Hunger war sehr bitter. „Vielleicht klingt es merkwürdig, aber wenn ich versuche, mich an die Zeit in Sibirien zu erinnern, dann sehe ich die Schönheit der Steppe im Frühling mit ihren unzähligen Farbtönen. Und ich kann es noch heute kaum fassen, daß man uns Kindern, die allmählich vergessen hatten, wie es zu Hause in Polen war, die Muttersprache beibrachte; dank der Gebete und Weihnachtslieder. Und die Erwachsenen haben uns immer ermahnt, daß wir, wenn wir nicht fleißig Polnisch lernen, nicht mehr nach Polen kommen dürfen.“ Von Marian Szymczaks Vater gibt es keine einzige Spur. Herr Marian zeigt noch einen Brief von ihm. Geschickt aus Koselsk, einer Stadt im Oblast Kaluga in Russland, wo die später in Katyn ermordeten polnischen Offiziere von den Sowjets interniert worden waren. Der Brief des Vaters ist schön, voller Liebe zur Familie. Und ein Tagebuch geschrieben mit Kopierstift. Maria Szymczak blieb mit drei Kindern allein. Nachdem die Russen Polen überfallen hatten lebten die Szymczaks - als Familie eines Aufständischen und Angehörigen des Grenzschutzkorps der polnischen Armee mit einem Urteil; und dieses wurde vollzogen. Mit dem zweiten Transport wurden sie deportiert. „Wir bekamen 15 Minuten und durften nur wichtigste Sachen mitnehmen. Die Mutter war sehr religiös, da hat sie noch ein Kreuz, den Rosenkranz, eine heilige Figur und ein Gebetbuch mitgenommen. Mein Bruder war damals zehn, die Schwester sechs und ich zwei.“ In der Verbannung half Maria Szymczak, Dokumente ins Deutsche zu übersetzen, außerdem schuftete sie von morgens bis abends wie ein Ochse beim Hüten von Schafen. Sie bekam dann die Genehmigung, am Schafstall eine Hütte für sich zu bauen. Die Hütte war aus Ziegeln, hergestellt aus mit Tierexkrementen vermischtem Torf. Diese Ziegel mußte sie mit ihren Kindern selbst anfertigen. Jerzy Jazanis, dessen Familie seit vielen Generationen in Wilna gelebt hatte, hatte noch weniger Glück. Er war etwas älter, als er deportiert wurde; ohne Eltern. Ein polnisches Kind in Sibirien in einem sowjetischen Waisenhaus. Sein Vater und Großvater waren verhaftet und zu Lagerhaft im GULAG verurteilt worden, weil man bei der Hausdurchsuchung eine „Waffe“, ein Küchen-Hackmesser, gefunden hatte. Mit Mutter und Großmutter fuhr er ins Ungewisse, bis nach Pawlodar am Irtysch. Der Großvater kam zurück, der Vater starb. Aber der Großvater starb bald danach, ebenso wie die Schwester der Großmutter. Die Kinder hoben die Gräber aus. Dann wurde die Mutter verhaftet und in den GULAG geschickt, zehn Jahre sollte sie dort arbeiten. Der Vorwurf lautete, sie habe ihre Kinder nicht richtig erziehen können. Die allein gebliebene Großmutter starb kurz danach, die Mutter etwas später, irgendwo, weit entfernt von ihren Kindern. Drei Waisen wurden vom Kommandanten in ein Kinderheim in Pawlodar eingewiesen. Die vierzig Kilometer dorthin mußten die Kinder zu Fuß laufen. Heute schauen die drei älteren Männer auf die Landkarte von Sibirien. Wenn sie auf die Orte zeigen wo sie ihre Kindheit verbrachten, sind das für uns nur Punkte auf der großen Karte. Für sie aber ist das die menschenfeindliche Erde, in ihr Gedächtnis gegraben wegen der Gräber ihrer Lieben. Für sie ist der 10. Februar kein Tag wie jeder andere. Presse-Archiv: Mitteilungen aus der poln. Presse I/2017 Mitteilungen aus der poln. Presse IV/2016 Mitteilungen aus der poln. Presse III/2016 Mitteilungen aus der poln. Presse II/2016 Mitteilungen aus der poln. Presse I/2016 Mitteilungen aus der poln. Presse IV/2015 Mitteilungen aus der poln. Presse III/2015 Mitteilungen aus der poln. Presse II/2015 Mitteilungen aus der poln. Presse I/2015 |