Am 14. Juli 2017 starb in Bonn LEONHARD VON KALCKREUTH im 87. Lebensjahr. Er war seit dem Jahr 2000 Vorsitzender des Heimatkreises Meseritz e.V. und der Heimatkreisgemeinschaft Birnbaum. Dieser Text erschien in der Meseritzer Kreiszeitung (Monatszeitschrift für den Kreis Miêdzyrzecz) im November 2017 – der Autor Andrzej Kirmiel ist Direktor des Museums in Meseritz.


Würdigung von Leonard v. Kalckreuth im Museum Meseritz Die Brückenbauer der Versöhnung
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Andrzej Kirmiel


Am 14.07.2017 verstarb in Bonn im Alter von 87 Jahren Leonhard von Kalckreuth, der Vorsitzende des Vereins der ehemaligen Bewohner der Heimatkreise Meseritz und Birnbaum (Heimatkreis Meseritz e.V. und Heimatkreisgemeinschaft Birnbaum). Zuvor, im Januar und April, waren zwei weitere Mitglieder des Vereinsbeirats verstorben, die in Tirschtiegel geboren waren: Gretel Lehmann und Joachim Schmidt.

Nach 1945 wohnten alle drei in der Region am Rhein, pflegten aber bis zu ihrem Lebensende die Liebe zu ihrer Heimat, dem Meseritzer und Birnbaumer Land. Als diese historisch polnischen Landstriche in die Grenzen des Polnischen Staates zurückkehrten, hätte man annehmen können, daß ihr Verlust eine Ablehnung gegenüber den Polen und dem Polnischen Staat zur Folge hätte. Jedoch weit gefehlt - eigene Erfahrungen waren für sie eine besondere Verpflichtung, um im Erwachsenenleben für Frieden, Versöhnung und Freundschaft mit den Polen zu wirken.

Die, die von Kalckreuth, Frau Lehmann und Herrn Schmidt kannten, bestätigen meine Empfindungen und trauern ähnlich wie ich über den Weggang wunderbarer Freunde und Brückenbauer der Versöhnung zwischen unseren Völkern.

Leonhard von Kalckreuth, geboren am 26. August 1930 in Obrawalde, entsprang dem aus Franken stammenden, weit verzweigten Familienverband derer von Kalckreuth, im Besitz einer 1.200-jährigen Adelsabstammungsurkunde. Ein Teil dieser Familie siedelte im Jahre 1602 im westlichen Großpolen. Sie besaßen Ländereien, die in den heutigen Kreisen Meseritz und Birnbaum lagen. Obwohl sie Deutsche und Protestanten waren, waren sie auch loyale und ergebene Untertanen der polnischen Könige und stolze Bürger Polens. Sie übernahmen polnische Bräuche und gingen Ehen mit polnischen Adelsmitgliedern evangelischen Glaubens ein, unterstützen Polen, wenn es notwendig war - zumindest im 17. Jahrhundert in den Kämpfen gegen die Türken.

Im Jahre 1676 erhielten sie für ihre Verdienste vom König Jan III Sobieski persönlich das Indigenat, mit dem die Familie von Kalckreuth in den polnischen Adel aufgenommen wurde und das bis zum heutigen Tage verbindlich ist. Das Dokument, das diese besondere Auszeichnung bestätigt, schenkte LvK dem Meseritzer Museum.

Leonhard von Kalckreuth besuchte Polen schon seit den 70er Jahren als Vertreter deutscher Chemieunternehmen, die in Kooperation mit polnischen Firmen standen.
Bei Besuchen in seiner Heimat fand er gastfreundliche Aufnahme bei Freunden seiner Familie, weil diese von jeher bei den örtlichen Polen in guter Erinnerung war.
Im Jahre 2000 wurde er zum Vorsitzenden des „Heimatkreis Meseritz e.V.“ gewählt. Er war auch Mitglied in vielen anderen Organisationen, u.a. seit 1980 Mitglied der „Kommission für die Geschichte der Deutschen in Polen e.V.“.
In Ausübung dieser Funktion beurteilte er u.a. die Inhalte der Schulbücher und war sehr sensibilisiert gegenüber den dort auftretenden historischen Verfälschungen Polen betreffend. Er wurde oft von verschiedenen Institutionen zu Konferenzen, Lesungen und Kongressen in Polen und Deutschland eingeladen.
Bei vielen Anlässen sprach er auch polnisch – aus Wertschätzung zu den Polen, wie er sagte – denn er fühlte sich besonders mit den Polen verbunden. Aufgrund seiner Initiative ist es gelungen, einige Fragmente der Geschichte dieser Landstriche in Tafeln und Gedenksteinen zu dokumentieren, die Realisierung einiger Projekte wissenschaftlichen Charakters, die Hilfe für einige polnische Schulen in Form von Stipendien anzubieten, Schülern den Kauf von Büchern zu sponsern, Programme zur Erlernung von Fremdsprachen anzubieten und auch Wissenschaftler, die sich mit dem Thema der deutsch-polnischen Grenzregion beschäftigen, zu fördern.

Er unterstützte auch das Meseritzer „Alf Kowalski Museum“. Dank unter anderem seiner finanziellen Unterstützung konnte im Jahre 2012 eine neue Ausstellung zum Thema „Vielschichtigkeit der Kultur der Stadt Meseritz“ entstehen. Das Museum erhielt aus seiner Hand viele interessante Exponate, die unsere Sammlung effektiv vergrößern. Trotz seines Alters hatte er noch viele Ideen und hätte noch viele Projekte zur Verbesserung der deutsch-polnischen Versöhnung auf den Weg bringen können. Leider war ihm dies nicht mehr vergönnt. Er ist in der Universitätsklinik in Bonn verstorben.

Der Wille Leonhard von Kalckreuths war es, in der Heimaterde bestattet zu werden. Zuerst wurde er Ende Juli in Deutschland in einer Trauerfeier verabschiedet, aber die Beisetzungszeremonie fand am 13. und 14. Oktober 2017 in Meseritz, Birnbaum und Betsche statt. Am Freitag wurde eine Gedenkstunde im Meseritzer Museum abgehalten, um seine Verdienste zu würdigen. Es sind viele bedeutende Persönlichkeiten aus dem Ausland erschienen, um dem Verstorbenen die letzte Ehre zu erweisen. Dies sagt viel über die Wertschätzung aus, die ihm entgegengebracht wurde.

So waren die gegenwärtigen Vertreter fast aller Adelshäuser des Meseritzer- und Birnbaumer Landes vertreten, u.a. die: v. Kalckreuths, v. Dziembowskis, v. Oppeln-Bronikowskis, Bojanowskis, v. Massenbachs, v. Tempelhoffs, Fischer v. Mollards.

Des Weiteren waren die Lebensgefährtin des Verstorbenen Maria Gräfin Vitzthum v. Eckstädt, seine in Posen geborene und auf Mallorca dauerhaft lebende Schwester Diana, sein Schulfreund Bischof Dr. Johannes Launhardt sowie auch viele andere Gäste anwesend.
In den Museumsräumen gedachten wir des Verstorbenen. Es wurden auch Filmfragmente mit seiner Beteiligung gezeigt. Die verstorbenen ehrenwerten Urahnen derer von Kalckreuth schauten von ihren Sargportraits auf die anwesenden Gäste. Für viele war das ein unvergessliches Erlebnis, weil die ferne Geschichte hier unmittelbar auf die Gegenwart traf. Für mich war es kein alltägliches Ereignis für die Vertreter zweier großer königlicher Adelsgeschlechter der Gastgeber zu sein: dem Geschlecht Ossolinski (Claus v. Ossolinski) und Sapieha.
Zur Beisetzung von Leonhard v. Kalckreuth kam aus Kenia, wo sie einen festen Wohnsitz hat, Maria Gabriela Beckmann aus dem Geschlecht Sapieha. Ihr Großvater, Prinz Eustachy Sapieha, war in den Jahren 1918-1920 polnischer Außenminister, Abgeordneter im polnischen Parlament, dem Sejm, und auch polnischer Botschafter in Großbritannien. Frau Beckmann besichtigte unser Museum und erklärte, daß man „nach außen“ nicht viel über die Geschichte dieser polnischen Region wisse.

Der zweite Tag der Feierlichkeiten begann um 11 Uhr in Muchocin, im elterlichen Schlösschen Leonhard v. Kalckreuths. Danach nahmen alle Teilnehmer an der Trauerandacht in der ehemaligen evangelischen Kirche in Birnbaum-Lindenstadt teil, in der der Verstorbene getauft und konfirmiert wurde.

Anschließend ging es nach Betsche, wo auf dem örtlichen Friedhof die Urne mit seiner Asche zur letzten Ruhe gebettet wurde. Ein Mensch, der mit ganzem Herzen die deutsch-polnische Versöhnung lebte, ist von uns gegangen. Ich hege die Hoffnung, daß die Versöhnung weiterhin gedeihen wird, obwohl sein Herz zu schlagen aufhörte. Dieser Prozess ist absolut notwendig und ich habe keinen Zweifel, daß der Verstorbene, ein Brückenbauer der Versöhnung, einen richtigen Weg für die nachfolgenden Generationen beschritt.

Der Direktor des „Alf Kowalski Museum“ Miêdzyrzecz / Meseritz
Andrzej Kirmiel

Übersetzung:
Wanda und Joachim Gladisch