Fastnacht in Scharzig und Umgebung
Joachim Gladisch


In der Zeit nach dem 2. Weltkrieg haben deutschstämmige Scharziger in 2 Anläufen den Brauch der Fastnacht wieder aufleben lassen. Die Umzüge muß man sich im Stil der schwäbisch- alemannischen Fastnacht vorstellen.


Fastnacht in Scharzig und UmgebungAls erste war es die Familie des Dorfschmieds Josef Weimann, die mit Unterstützung von Dorfbewohnern zum Rosenmontag 1958 einen Umzug organisierte. Daran nahmen auch einige inzwischen zugezogene polnische Arbeiter vom Staatsgut (früher das Gut der Familie Bendziewski /später Josef Päch) gerne teil. Man traf sich in der Schmiede zum Umkleiden. Die Requisiten sollen einem Bestand der Familie Misiewicz entstammen. Nach dem Umkleiden zog man mit Musik und unter viel Geklimper, Gerassel und Getöse durchs Dorf. Dem Umzug haben sich dann auch einige Kinder und Erwachsene angeschlossen. Es wurde auf der Dorfstraße auch getanzt. Die Umzugsgruppe wurde von den Dorfbewohnern mit kleinen Präsenten, wie Pfannkuchen (in anderen Regionen auch als Berliner bekannt), Bratwurst, wie wir sie kannten, Schnaps und Wein beschenkt. Abends traf man sich in der Scharziger Schule und verzehrte in fröhlicher Runde die eingesammelten Speisen und alkoholischen Getränke.

Nachdem die Familie Weimann im Herbst 1958 nach Westdeutschland ausgesiedelt war, haben meine Eltern, Magda und Josef Gladisch, mit anderen Dorfbewohnern in den sechziger Jahren die Fastnacht erneut aufleben lassen. Treffpunkt und Ausgangspunkt war nun die Tischlerwerkstatt meines Vaters in Scharzig. Soweit ich mich als damaliges Kleinkind erinnern kann und den Erzählungen meiner Eltern zufolge bestand die Umzugsgruppe aus folgenden „Figuren“: einer Braut (mein Vater Josef Gladisch), einem Bräutigam, einem Teufel, einem Zahnarztpatienten (Herr Cybernik), einem Narren, der auch die Funktion eines Zahnarztes einnahm (Herr Konkolewski), einem Bär, dargestellt durch Paul Judkowiak. Dieser wurde dick mit Serradellastroh umwickelt, sodaß selbst ein Hund diese Umwicklung nicht hätte durchbeißen können. Über den Kopf wurde ihm ein Jutesack gestülpt, in den Ecken jeweils eine Kartoffel als Ohrendarstellung. Er sah furchteinflößend aus.


Fastnacht in Scharzig und Umgebung
Der Zahnkranke hielt einen gesäuberten alten Schweinezahn am Mund. An dem Zahn war eine Schnur angebunden, mit welcher der Narr, auch gleichzeitig Zahnarzt, versuchte ihm den Zahn zu ziehen. Inzwischen wurde der Umzug räumlich ausgeweitet. Es wurde ein Pferdefuhrwerk organisiert und man fuhr auch zu den Ausgebauten und nach Zielomischel und Stalun. Dabei wurden bevorzugt junge Frauen vom „Teufel“ gerne mal im Gesicht mit Ruß beschmiert. Mein Vater erzählte mir dazu folgende lustige Geschichte: Als man sich in Zielomischel dem Hoftor eines Bauernhofes näherte, kam der Bauer herausgerannt und warnte die Gruppe vor dem an der Hundebude an einer langen Kette angeketteten scharfen Hund. Daraufhin schickte man Paul den Bären und den Bärentreiber vor, um die Gruppe vom Hund abzuschirmen. Der „große bissige Hund“ verschwand in seiner Bude und der Bär zog nun an der Kette des scharfen Hundes, um ihn aus der Bude herauszuholen. Dabei hat sich das arme Tier aus Angst so in der Bude festgestemmt, daß durch das Ziehen des Bären an der Kette die Bude samt Hund ins Wanken geriet. Nach Rückkehr nach Scharzig wurde abends im Gutshaus bei Musik (Reinhold Jeske spielte Schifferklavier) und bei Verzehr der eingesammelten Präsente der Ausklang des Tages gefeiert. Meines Wissens nach hat sich diese alte Tradition der Fastnacht nach der Aussiedlung weiterer deutschstämmiger Familien in unserer Heimat leider nicht fortgesetzt.


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