Erinnerungen an mein Heimatdorf Strese / Strzyzewo
Von Sophie Dachwitz, geb. Dalchau (Bilder: Archiv Dachwitz / HGr)

Ich wurde 1924 in Strese geboren. Strese liegt von Bentschen 3 km entfernt, ein schönes großes Dorf an der Obra mit etwas über 800 Einwohnern, davon waren ca. 80 % Deutsche.
Durch den Versailler Vertrag wurde Strese nach dem 1. Weltkrieg 1919 Polen zugeordnet. Die Grenze zum Deutschen Reich war nun etwa 2 km westlich von uns entfernt. Bis etwa 20 km nach Deutschland hinein, wir sagten immer: „Ins Reich hinein!“ gab es für uns einen kleinen geregelten Grenzverkehr. Um ins Reich fahren zu können, mußten wir einen Paß beantragen. Bis nach Meseritz zu fahren, war schon nicht mehr erlaubt. Im Dorf erzählte man, daß nachts manche Streser ohne Paß durch den Wald über die Grenze nach Deutschland gehen. Das war allerdings sehr gefährlich, weil die Grenzwachen scharf schossen.
Von den Grenzkämpfen in unserer Nähe, von Bentschen über Lomnitz bis Tirschtiegel mit vielen Toten, redeten die Erwachsenen hinter vorgehaltener Hand. Daß uns in naher Zeit ein Krieg bevorstehen würde, ahnte wohl keiner.

So war am 1.September 1939 morgens um 6 Uhr, als ein heftiger Knall das ganze Dorf weckte, große Aufregung. Mein Vater und ich liefen vor Trauers Haus. Von dort aus konnte man die Obrabrücke sehen. Auch der polnische Lehrer Tominski kam dazu.
Wir sahen polnische Grenzsoldaten von der Brücke fortlaufen, vorneweg zwei polnische Eisenbahner. Sie wollten wohl die Brücke über die Obra sprengen, was nicht gelang. Kurz darauf folgte eine Gruppe deutscher Soldaten. Hinter ihnen Graf zu Dohna mit weiteren Soldaten. Nun gehörten wir wieder zum Reich und waren Deutsche.
Danach kamen aus dem Reich viele Parteigenossen zu uns, die wir eigentlich nicht wollten. Die Zeit unserer deutschen Zugehörigkeit war für uns Kinder eine glückliche Zeit und verging von Herbst Herbst 1939 bis Januar 1945 sehr schnell. Ende Januar 1945 standen plötzlich die Russen vor unserem Dorf. Es ereigneten sich fruchtbare Dinge, die ich nie vergessen werde.

Strese / Strzyzewo

Strese / StrzyzewoBis Mai 1945 mußte ich den Krieg in der Nähe der russischen Front zwischen Reppen und Frankfurt/ Oder erleben. Am 10. März1945, es war mein 21. Geburtstag, war ich mit zwei Mädels unterwegs. Wir sollten nach Russland deportiert werden. Gott sei Dank kam der Zug nicht und wir konnten uns ungesehen in einer alten Scheune verstecken.
Acht Wochen bis zum 7. Mai 1945 bewahrten wir unser Versteck. Dann gelang es uns über die Oder nach Berlin zu kommen.

Im August fand ich meine Mutter wieder. 1946 heiratete ich und da mein Vater und mein Bruder Opfer des Krieges waren, entschlossen wir jungen Eheleute uns, mit unserer Mutter zusammenzuziehen.
In der DDR wurden wir Umsiedler genannt, denn das Wort Flüchtling war ein Tabu-Wort. Es war eine schwere Zeit, aber meine Kindheit in Strese war eine schöne Zeit an die ich mich gern erinnere. Die Familie stand für uns immer an erster Stelle. Nun bin ich 89 Jahre alt und lebe mit meiner Tochter und Schwiegersohn glücklich und zufrieden zusammen.

Doch die Erinnerungen an die Heimat werden nie erlöschen. Deshalb habe ich im Juni 2013 zu einem kleinen Heimatfreundetreffen nach Hohenwerbig eingeladen. Mit dabei waren Hannelore Knabe, geb. Felsch aus Bad Düben, Elli Riedl, geb. Felsch aus Bad Düben, Loremarie Völker, geb. Dalchau aus Dresden mit Mann und Margarete Delor, geb. Gutsche aus Potsdam mit Mann und sind bereits zum Mittagessen angereist. Meine Tochter hat mich mit ganzer Kraft tatkräftig unterstützt. Sie verwöhnte und versorgte uns köstlich. Somit konnten wir all unseren Erinnerungen freien Lauf lassen. Bis 20.30 Uhr wurde es ein erlebnisreicher Tag für die Anwesenden. Familie Völker aus Dresden blieb sogar über Nacht.


Strese / Strzyzewo


Die Vertreibung und die Erlebnisse auf der Flucht bis über die Oder ab Februar 1945 sind allen im Gedächtnis haften geblieben. Auch die Besuche in Strese nach 1945 und gewisse Veränderungen, die es im Laufe der Jahrzehnte in Strese gab, wurden mit Interesse aufgenommen. Es ist nur bedauerlich, daß zu dem heutigen Strzyzewo so wenig Kontakte bestehen.


Strese / Strzyzewo


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