wappen posenZeugen unserer Geschichte
Wappen der Stadt Betsche

Text: Joachim Schmidt

Betsche liegt eingebettet in eine Landschaft von Wäldern, Seen und sanften Hügeln, die schon sehr früh besiedelt wurde.
Beeindruckendes Zeugnis ist neben vielen Grab- und Keramikfunden der 20 m hohe und am Fuß 120 m breite »Schneckenberg«. Er befindet sich am nördlichen Ende der Stadt, am Ufer des Stadtsees.
Vieles deutet darauf hin, so schreibt Karl Hielscher in seinen Aufzeichnungen zur Stadtgeschichte, daß er eine vorgeschichtlich heidnische Opferstätte war.
Neuere archäologische Funde bringen den »Schneckenberg« mit Ereignissen späterer Zeit in Verbindung: so mit einer im 14. Jh. dort stehenden Burg für den Archidiakon des Bischofs von Posen, der von Betsche aus bis zur Oder über 60 Pfarreien verwaltete.
Nach einer Betscher Sage ist der Schneckenberg ein Grabhügel, der von den Schweden für einen ihrer gefallenen Fürsten errichtet wurde.
Legenden erzählen, daß die Anfänge Betsches auf den Hl. Adalbert zurückzuführen sind. Er soll auf dem Schneckenberg ein heidnisches Heiligtum zerstört und in unmittelbarer Nähe eine der ersten polnischen Kirchen erbaut haben.
Sicher ist, daß es im Gebiet von Betsche schon sehr früh primitive Schmelzöfen für Raseneisenstein gab und daß neben dem Fischreichtum der Seen schon vor 2000 Jahren dort eine dörfliche Siedlung von einem alten Handelsweg lebte, der durch die Betscher Seenenge führte.
Die heute für das 9. Jh. auf der Katharinen-Halbinsel nachgewiesene Burg, ein Palisadenbau, stand mit diesem Handelsweg in Verbindung, der von Frankfurt/ Oder über Zielenzig, Meseritz nach Posen, nach Danzig und weiter führte.
Um das Jahr 1005 ließ vermutlich Heinrich II. die Betscher Burganlagen niederbrennen.
Die früheste in polnischen Dokumenten gefundene Notiz zu Betsche stammt aus dem Jahr 1256.
In dieser Zeit gehörte Betsche schon zum Eigentum der Bischöfe von Posen. Im Januar 1288 erhebt der Posener Bischof Betsche zur Stadt. Das Dokument, das sicher die Insignien des Bischofs trug, verbrennt einige Zeit später in einem Großfeuer, so daß der Stadtrat im Jahre 1407 den Bischof in Posen um eine schriftliche Bestätigung des alten Stadtrechtes bitten muß.
Das älteste Stadtwappen Betsches, von dem Karl Hielscher berichtet, daß es in schöner Form und für die Geschichte der Stadt sehr treffend gestaltet sei, stammt sicher aus der Zeit um 1288.
Auf rotem Wappenschild über einem Kahn – der für das Leben an den Betscher Seen unentbehrlich ist – befinden sich in Gold eine Mitra mit Krummstab als Zeichen bischöflicher Macht.
Schon vorher trägt der Ort die altslawische Bezeichnung Pszczew, d.h. »das Glänzende«, ob von den Oberflächen der die Stadt umgebenden Seen, der schönen Landschaft oder den bearbeiteten glänzenden Eisenmetallen inspiriert – man weiß es nicht.
Wann die ähnlich klingende deutsche Variante »Betsche« entstanden ist, ist unbekannt.
Der Marktplatz, der sich im Mittelalter an die anfänglich slawische Siedlung anschließt, er war einst von einfachen hölzernen Giebelhäusern umbaut, weist wie in vielen Städten Polens auch auf eine Besiedlung durch deutsche Handwerker und Kaufleute hin. Unter den Kaufleuten und Kleinhandwerkern befindet sich eine größere Gruppe jüdischen Glaubens.
Betsche muß seinerzeit schon ein liebenswertes Städtchen sein, denn es wird immer mehr zum Erholungsort und zur Sommerresidenz der Posener Bischöfe.

Zu den bischöflichen Besitzungen in Betsche gehört der »Betscher Schlüssel«, ein bischöfliches Tafel- und Kammergut, das an verdiente polnische Adlige verpachtet wird.
Joachim Schober, der sich mit der Geschichte und der Gestaltung der Betscher Wappen beschäftigt, fand heraus, daß mit dem bischöflichen Kammergut in Betsche um 1508 ein zweites Wappen eingeführt wird. Es zeigt auf einem silbernen Schild über einen blaugefärbten Pflugschar zwei gekreuzte rote Schlüssel.
Da jedes Wappen für eine bestimmte Sache steht, ist hier deutlich eine Trennung von Gut und Stadt angezeigt, d.h. auch, der polnische Adel, der das Gut bewirtschaftete, hatte sein eigenes Wappen zurückzustellen.
1631 ziehen plündernde Schweden in die Stadt. Im gleichen Jahr gerät durch Unachtsamkeit Betsche, ein mit Schilfdächern eng bebauter Ort, in Brand.
Auch die Kirche wird vernichtet und damit alle Stadtdokumente.
Mit Hilfe des Bischofs wird die Stadt in den folgenden Jahren wiederaufgebaut.
Nach der schon 1594 gegründeten Schnei derzunft entstehen nun weitere Handwerkerbünde.
Die Stadt lebt für kurze Zeit auf, bleibt aber von weiteren Katastrophen und Plagen nicht verschont. So wüten in den folgenden Jahren mit verheerender Wirkung mehrfach die Pest und die Cholera. 1824 kommt es in der Stadt noch einmal zu einem Großbrand.
In preußischer Zeit ab 1793 werden nach dem Kosciuszko-Aufstand neben den Starosteigütern auch die Kirchengüter vom Staat eingezogen und an hohe Staatsbeamte und Generäle vergeben.
Das bischöfliche Gut in Betsche erhält zunächst der Fürst zu Hohenlohe-Ingelfingen.
Aus dem »Schlüssel« wird nun eine »Herrschaft«.
1827 erwirbt General von Hiller-Gaertringen das Anwesen. Er fördert in besonderer Weise die evangelische Gemeinde von Betsche und veranlaßt 1863 den Bau einer neogotischen evangelischen Backsteinkirche, die 1964 abgerissen wurde.
Die letzten Besitzer der Betscher Herrschaft in deutscher Zeit sind bis 1945 die Grafen zu Dohna, Verwandte der Hiller-Gärtringen.
875 stürzt ein Sturm die »Heilige Linde« in der Stadt, die 1806 Napoleon noch bewunderte, deren Stamm drei seiner Offiziere kaum umfassen konnten.
1887 erhält Betsche durch den Bau der Eisenbahnlinie Meseritz - Birnbaum Anschluß an das Bahnnetz.
Die mehrfach verheerenden Zerstörungen Betsches bringen es mit sich, daß die Aktenlage der Stadtgeschichte lückenhaft ist. Die im Nebel der Vergangenheit ruhende Geschichte ihrer Stadt hat die Phantasie der Betscher angeregt und viele schöne Sagen entstehen lassen

Bei der Grenzfestlegung nach dem 1. Weltkrieg 1918 durch den Vertrag von Versailles bleibt Betsche hart an der Grenze zu Polen bei Deutschland.
Die wirtschaftliche Lage der Stadt ist durch den Verlust des Hinterlandes schlecht.
1939 zählt man 1702 Einwohner, davon sind etwa 500 evangelisch.
Am 29. Januar 1945 drängt die Rote Armee in die Stadt. Betsche/Pszczew wird wieder eine polnische Stadt.

Nach 658 Jahren Stadtgeschichte verliert 1946 Betsche/Pszczew durch Verfügung des Polnischen Staates sein Stadtrecht.

Das alte Wappen aber der kleinen Stadt, in der Polen und Deutsche über Jahrhunderte gemeinsam lebten und die über lange Zeit bischöfliche Sommerresidenz war, ist bis heute der Gemeinde Pszczew erhalten geblieben.

Anmerkung: In der Sammlung »Die Ortswappen des Königreiches Preußen« Heft: Provinz Posen, 1910, das im Staatsauftrag von Prof. Otto Hupp erstellt wurde, befindet sich kein Wappen von Betsche/Pszczew.

Prof. Hupp lebte von 1859 bis 1949. Neben der Herausgabe eines 4-bändigen Werkes: «Wappen und Siegel der deutschen Städte, Flecken und Dörfer», wurde er u. a. bekannt durch Wandgemälde im alten Reichstag und im Bayerischen Nationalmuseum.