„Spotkania z historia. Treffen mit der Geschichte. Trzciel * Tirschtiegel“Das neue polnische Buch über Tirschtiegel
Ein prächtiges Album mit inhaltlichen Schwächen
Verfasser: Robert Piotrowski, Regionalhistoriker

Dr. Martin Sprungala, Historiker M.A.

Im Juni 2011 wurde in Tirschtiegel, dem heutigen Trzciel, ein neues Buch zur Stadtgeschichte veröffentlicht, das den Titel trägt „Spotkania z historia. Treffen mit der Geschichte. Trzciel * Tirschtiegel“. Herausgegeben wurde der 88 Seiten zählende Band im A-4-Format vom Stadtamt und der Öffentlichen Stadt- und Gemeindebibliothek in Trzciel mit Förderung der 1993 gegründeten „Euroregion Pro Europa Viadrina“. Das Motto des Sponsors ist im Impressum beigefügt: „Grenzen überwinden durch gemeinsame Investition in die Zukunft.“ Kooperationspartner ist das Gemeinsame Technische Sekretariat (GTS) für das Operationelle Programm zur grenzübergreifenden Zusammenarbeit Polen (Wojewodschaft Lubuskie) – Brandenburg 2007-2013 mit Sitz in Grünberg/Zielona Góra. Als drittes Logo im Impressum findet man als übergeordneten Förderer die Europafahne der EU.

Daß diese Arbeit als polnisch-deutsches Projekt ausgelegt ist, sieht man nicht nur an den mit einbezogenen Bildquellen, die auch seitens der ehemaligen deutschen Bewohner zur Verfügung gestellt wurden – zu nennen wären hier Helmut Kahl sowie Albrecht Fischer v. Mollard vom Heimatkreis Meseritz e.V. und die Landesgeschichtliche Vereinigung für die Mark Brandenburg in Berlin – , sondern die Bürgermeisterin Maria J. Górna- Bobrowska weist auch in ihrem Grußwort darauf hin. Sie schreibt:
„Wir machen Bekanntschaft mit den ehemaligen Einwohnern, den hier nebeneinander lebenden Polen, Deutschen und Juden,…“ und sie dankt mit den Worten „Wir überreichen Ihnen mit großer Zufriedenheit dieses Album, das dank der Zusammenarbeit mit den Partnern des deutschen Grenzgebietes und den Vorkriegsbewohnern von Trzciel entstanden ist.“ Das vorliegende Buch, das eher ein Album ist, wie die Bürgermeisterin zu Recht erwähnt, ist in hervorragender Bildqualität und graphischer Gestaltung erstellt worden. Seit Jahren kann man in Polen beobachten, mit welcher Brillanz man dort die neuen Möglichkeiten der computergestützten Graphik nutzt und sowohl farblich wie gestalterisch ansprechende Werke druckt. In diesem Fall geht das Lob an die Druckerei Sonar Sp. z.o.o. (www.sonar.pl) in Landsberg a. W./ Gorzów. Das Buch ist als Album konzipiert und zeigt sehr viele interessante Fotos und Dokumente aus alter Zeit. Wirklich lobend zu erwähnen ist, daß man auch deutsche Beschriftungen – anders als zu früheren Zeiten – belassen hat, was angesichts des Themas – die Geschichte einer deutschen Stadt in Polen – auch kaum anders denkbar ist.
Die Texte sind zweisprachig abgedruckt: auf Polnisch und in deutscher Übersetzung, was höchst löblich ist. Leider ist hier als Manko zu vermerken, daß auch ein guter Germanist nicht perfekt ist. Viele Textteile klingen sperrig und stellen nicht die im Deutschen gebräuchlichen Ausdrucksweisen und Redewendungen dar. Es gilt die Regel, daß jede Übersetzung von einem Muttersprachler zu überarbeiten ist und das war in diesem Falle nicht gegeben. Dies macht sich vor allem an den Brechungspunkten der polnisch-deutschen Geschichte in der Wortwahl bemerkbar.
Auch der Text selbst, obwohl vielfach gut gemacht und gut gemeint, weist eine Vielzahl von Ungenauigkeiten, falschen Deutungen bis hin zu Fehlern auf. Damit der historisch nicht so versierte Leser sowohl über diese Klippen der polnisch-deutschen Geschichtsdeutung als auch über die Fehler gut hinwegfindet und dieses sehenswerte und durchaus löbliche Werk nutzen kann, sollte er auf die Problematik an manchen Stellen der Darstellung aufmerksam gemacht werden. Deshalb habe ich mich für diese Form der Buchbesprechung entschieden. Auch wenn der kritische Apparat damit einen wesentlichen Anteil haben wird, heißt das nicht, daß dieses Buch nicht als gut und sinnvoll bewertet wird, doch es hat halt spürbare Mängel.

Die alte Stadt Tirschtiegel aus dem 14. Jahrhundert
Die Vor- und Frühgeschichte der Stadt wird leider recht lapidar behandelt (S. 5). Aber es wird erwähnt, daß der Ort im Jahr 1319 in einem Vertrag zwischen den schlesischen Herzögen und den brandenburgischen Markgrafen unter dem deutschen Namen „Torstetel“ erwähnt wird, also „Städtchen mit Toren“. Dies deutet darauf hin, daß der Ort bereits im Hochmittelalter deutsch besiedelt war – ein Hinweis, der für die gesamte Gestaltung dieser Arbeit von Bedeutung ist, da der Autor den angeblichen polnischen Charakter der Stadt immer wieder betont.
Das Stadtrecht erhielt Tirschtiegel vor 1394. Eine Urkunde ist nicht erhalten, da die Stadt am 4.5.1656 von den Schweden niedergebrannt wurde. Der Autor spricht hier immer vom polnisch-schwedischen Krieg. Als Hinweis für den Leser da es mehrere große Kriege dieser Art gab: In der deutschen Historiographie wird dieser Krieg der „Kleine Nordische Krieg“ (1655-60) genannt, der in der polnischen Literatur auch als „schwedische Sintflut“ (= pl. Potop) bekannt wurde, da die polnisch-litauische Adelsrepublik bereits damals nur knapp dem staatlichen Untergang entging. Der polnische und vermutlich davon abgeleitete deutsche Name der Stadt Trzciel / Tirschtiegel leitet sich von „trzcielina = Schilfstengel“ ab. Auch an die Stadt im Schilf der Obra erinnert der Autor an mehreren Stellen.

Meßtischblatt 3661 v. 1940Staatszugehörigkeit im Jahr 1809 + 1920 / 1939
Auch die am Ende dieser Einleitung genannten Fakten sind nicht immer korrekt. „Doch schon seit 1809 war es (Tirschtiegel) unzertrennlich mit dem preußischen Staat verbunden…“ Dies ist ein inhaltlicher Fehler, denn die Grenzen wurden erst nach Napoleons Niederlage in Rußland (1812) wieder verändert – de jure erst durch den Wiener Kongreß (1815), d. h. 1809 war Tirschtiegel (seit Ende 1806 militärisch, de jure seit 1807) Teil des Herzogtums Warschau. Ein Blick auf die im polnischen Internet publizierte alte „Charte vom Königreich Preußen nebst dem Herzogtum Warschau von F. L. Güffefeld, Nürnberg 1810“ belegt dies deutlich.
Auch die Andeutung, daß die Grenze 1920-1939 durch die Stadt verlief, ist ungenau. Die Grenze verlief durch das Gemeindegebiet, aber nur der Bahnhof samt den von Norden nach Süden verlaufenden Eisenbahngleisen kam durch den Versailler Vertrag zu Polen. Ein Blick auf das Meßtischblatt 3661 belegt dies. Der Leser mit Internetzugang findet dieses Blatt auf der polnischen Seite: http://amzpbig.com/maps/3661_Tirschtiegel_1940.jpg

Im Posenschen singt man
Die weitere Einführung wirkt nicht besonders glücklich, da hier (S. 6) das sicherlich sehr interessante polnische Lied mit dem Text:
Wenn Du heiratest, rat ich dir gut: …Nimm dir ja keine Deutsche / ein Kauderwelsch sie spricht… Du verstehst sie nicht“ abgedruckt ist.
Ich würde dies nicht erwähnen, aber es erinnert doch sehr daran, daß man bekannte Tirschtiegeler Bürger für heutige polnische Leser nicht für relevant hält, da sie nur Deutsch schrieben.
An dieser Stelle, zudem unkommentiert, widerspricht diese Illustration dem oben genannten Geist des Buches. Auf S. 7 wird aus einem polnischen Lexikon von 1892 ein sehr interessanter Artikel abgedruckt. Leider übersah man hier, die Ortsnamen überall zu übersetzen, zudem kam es dabei zu einem groben Fehler. Tirschtiegel gehörte nicht zum Dekanat Zbaszynek, denn Neu Bentschen entstand erst in den ausgehenden 1920er Jahren als Folge der Grenzziehung nach dem 1. Weltkrieg. Hier muß es heißen: Zbaszyn/ Bentschen.

Die Grundherren von Tirschtiegel
Die S. 9 widmet sich den Grundherren von Tirschtiegel, welches im Besitz polnischer Adelsfamilien war. Leider sind die Angaben hier sehr spärlich und mißverständlich.
Im Jahr 1664 war Krzysztof na Tudnie Tuczynski h. Tuczynski Eigentümer der Gutsherrschaft Trzciel, 1698 - 1718 gefolgt von der deutschstämmigen Familie v. Unruh und nicht Unrug, wie hier geschrieben. Unrug ist nur die polnische Schreibweise des Namens, da man im Polnischen kein „H“ am Ende aussprechen kann.
Einen polnischsprachigen und katholischen Zweig der Familie gab es jedoch auch, doch nicht hier in Tirschtiegel und dies auch erst seit dem 19. Jahrhundert. Auf die Unruh, die natürlich das polnische Indigenat (= Bürgerrecht) besaßen, folgte 1718 - 80 die Familie Szoldrski h. Lodzia, dann die Krzyzanowski h. Swinka und die Mielzynski h. Nowina.
Um zu zeigen, wie neutral die Preußen waren, folgende Episode. Die Altstadt lag mit dem Grafen Mielzynski im Streit. 1799 sollte dieser durch den Erwerb des ca. 5.000 ha großen Gutes seitens der Stadt für 480.000 Mark beendet werden. Hier war es die preußische Domänenkammer, die einen derartigen Präzedenzfall verhinderte, daß eine bürgerliche Stadt von einem Adeligen die Gutsherrschaft erwarb (siehe Heinrich Wuttke, Städtebuch des Landes Posen, Leipzig 1864).
Erst im Jahr 1819 verkaufte Mikolaj Mielzynski die Herrschaft an den Fürsten von Reuß auf Padligar und Trebschen. Während der Agrarkrise erwarb sie dann 1842 der Graf zu Dohna. Immer mehr Gutsland mußte veräußert werden, so daß die damals noch bürgerliche Familie Fischer (später Fischer von Mollard) nur noch 2.000 ha erwarb. Falsch ist die Aussage auf S. 77, daß vom Schloß aus die einst private Stadt regiert wurde. Regiert wurde die Stadt vom polnischen König, seit 1793 dann vom preußischen König, aber nicht vom Schloß aus.
Auch der Hinweis auf alte „archaische“ polnische Architektur stimmt nicht. Bei ihrer Erfassung der 1793 neu gewonnenen Provinz Südpreußen betonen die preußischen Beamten stets, daß sie nur wenige Steinhäuser vorfanden, somit wären steinerne Gebäude ein Hinweis auf die Preußenzeit. Aber auch Fachwerk wird in Polen oft als „pruskie mur“ bezeichnet, d. h. als typisch für die deutsche Bauweise. Die Gutsherren hatten ihre Rechte als Grundbesitzer, die Familie Fischer von Mollard war zudem Patron der katholischen Kirche, die einst von dem Fürsten von Reuß gestiftet wurde.
Die Rechte als Landbesitzer waren seit 1919 erheblich eingeschränkt, denn zwei Drittel des Gutslandes lagen nun jenseits der Grenze und der Nachbarstaat gestaltete jeden Grenzverkehr schwierig.

Die Evangelischen in der Neustadt
Auf S. 23 spricht der Autor von der Gründung der Neustadt im Jahr 1730. Wuttke nennt das Jahr 1710. Erst 1888 wurden Altstadt und Neustadt administrativ vereint. Die Ansiedlung von protestantischen Glaubensflüchtlingen erfolgte aus Schlesien; die Stadt wurde bekannt für ihren Hopfenanbau und das Korbmacherhandwerk.
Es ist erfreulich, daß an dieser Stelle interessante Dokumente zur Kirchengeschichte abgebildet werden. Zu erwähnen ist auch noch, daß die in ihrer Zeit sehr berühmte Dichterin, die Karschin, Tirschtiegel als ihre Heimatstadt betrachtete, da sie sich hier wohl fühlte, obwohl sie nicht hier geboren wurde. Sie setzte sich für Tirschtiegels evangelische Kirche ein, sammelte Geld und widmete ihrer Heimatstadt eine Ode (abgedruckt auf S. 29).
Die Entwicklung der Ethnien in der seit 1888 vereinten Stadt Tirschtiegel geben die Posener Gemeindelexika aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg wieder. Bei der Volkszählung vom 1.12.1910 hatte die Stadt 2.385 Einwohner, darunter 1.413 deutschsprachige evangelische und 883 katholische. Nur 41 Katholiken gaben Polnisch als ihre Muttersprache an. Juden lebten damals keine mehr in der Stadt bzw. wurden nicht gezählt.
Zu Beginn der preußischen Zeit sah das noch anders aus. Die Erhebung aus dem Jahr 1797 betont die Trennung in Alt- und Neustadt Tirschtiegel: „Jede hat ihren eigenen Magistrat. In der Altstadt sind fast alle Bürger Polen und katholisch; die Neustadt hingegen ist von deutschen Lutheranern angelobt worden…“ In der Altstadt gab es 102 Feuerstellen, in der Neustadt 150, sie war also im Vergleich zur Altstadt um die Hälfte größer. Insgesamt zählte die Doppelstadt 1.418 Einwohner.
Es ist aber durchaus lobenswert, daß man der Bedeutung der evangelischen Kirche in Tirschtiegel breiten Raum gibt (S. 30-35), denn ihre Bedeutung für die damalige Stadtgeschichte war groß. Sehr interessant ist auch der dritte religiöse Aspekt, der der jüdischen Familien in Tirschtiegel, der sehr gut illustriert wird.

Das Kriegerdenkmal von 1870 / 71
Auf S. 25 wird das Kaiserdenkmal auf dem Neustädter Marktplatz erwähnt.
Der Autor urteilt darüber: „Alle Machthaber neigen dazu, Denkmäler ihrer eigenen Macht zu bauen, oft kam es auch zu Initiativen ‚von unten‘, von denjenigen, die diesen Machthabern gefallen wollten. Es ist schwer, eindeutig zu sagen, woher der Marmorobelisk kommt, der mit dem preußischen Adler in Nowy Trzciel stolzierte – von den Behörden oder von den Einwohnern selbst.
Auch diese Aussage zeugt von Unkenntnis der regionalen Geschichte! Herrscherdenkmäler wurden im alten Rom auf Befehl der als göttlich geltenden Imperatoren errichtet. In Preußen, aber auch Österreich usw. wurden auf Befehl des Herrschers keine Denkmäler errichtet und es galt der Grundsatz, auch kein Denkmal von noch lebenden Herrschern zu errichten. Daher gibt es auch kaum ein Denkmal für Kaiser Wilhelm II., sondern es wurden, wie in diesem Fall, Bildnisse von Wilhelm I. und Friedrich III. angebracht. Nach Aussagen des Fachmanns für kaiserzeitliche Denkmäler, Heinz Csallner, ist das Denkmal in Tirschtiegel eindeutig ein Zwei-Kaiser-Kriegerdenkmal, zumal der Text auf dem Obelisk dies belegt.
Solche Denkmäler wurden auf Initiative der Bürgerschaft oder des örtlichen Veteranenvereins errichtet, aber nicht auf Anordnung der Behörden. Das Denkmal wurde auch nicht 1899 enthüllt, wie der Autor schreibt, sondern 1889, daher erinnert es an die im Jahr zuvor verstorbenen beiden Kaiser, die maßgeblich an dem Reichseinigungskrieg von 1870/71 beteiligt waren, an den dieses Denkmal erinnert (siehe: Norbert Diering, Tirschtiegel in alten Ansichten, Zaltbommel/ Niederlande 1995, S. 23).

Der Wert der „preußischen Sappho“
Auf S. 28 widmet sich das Buch der Autorin und Poetin Anna Luisa Karsch, die in ihrer Zeit überaus bekannt war. Der Text über sie ist abschätzig, zumal da man sie mit dem ungleich weniger bedeutenden Herybert Menzel vergleicht. Auch stimmt es nicht, daß König Friedrich II. der Große sie „hoch schätzte“. Das Gegenteil ist der Fall! Er mochte sie nicht, ebenso wie er deutschsprachige Literatur wenig schätzte.
Friedrich II. war französischsprachig und liebte die französische Literatur. Den modernen Zeitgeist seiner späten Jahre hat er nicht mehr mitbekommen. Beliebt war die Karschin in ihrer Zeit allemal und sie korrespondierte mit vielen bekannten Persönlichkeiten ihrer Zeit, u.a. mit Johann Wolfgang v. Goethe, mit dem auch der polnische Nationaldichter Adam Mickiewicz einen Briefwechsel unterhielt.
Ihn störte es nicht, daß jener nur auf Deutsch schrieb, so wie im Buch beschrieben: „… schrieben auf Deutsch, ihr Werk ist für die polnischen Leser unzugänglich. Das alles macht sie kaum ‚brauchbar‘ als Berühmtheiten ihrer Heimat.
William Shakespeare schrieb auch nicht auf Deutsch, dennoch wird er in Deutschland hoch geschätzt und jede Stadt würde ihn erwähnen, wenn er in ihr einige Jahre gelebt hätte oder gar dort geboren wäre. Auch das Argument gegen den weiß Gott unbedeutenderen Literaten Herybert Menzel, daß er „sich ins Dritte Reich verwickeln ließ“, ist keines. Auch gegen Richard Wagner wird oft zu Felde geführt, daß er Antisemit war, dennoch mindert dies nicht seinen Wert als Komponist.
Auf S. 29 relativiert der Autor seine Einschränkung und stellt dar, daß die Karschin doch von Wert sein könnte, da ihrer bis 1945 gedacht wurde.

Der Großpolnische Aufstand 1919
Mit Erstaunen und Achtung muß man sehen, daß über den Großpolnischen Aufstand neutral berichtet wird. Der Angriff auf Lomnitz wird auf S. 55 erwähnt und auch daß die gefallenen Tirschtiegeler als Helden verehrt wurden. Die hier angeführten Dokumente, so etwa der Aufruf an die „Bevölkerung von Meseritz!“stammt jedoch aus dem Januar 1945 und nicht aus der Zeit dieses Aufstands.
Bei einem vollständigen Abdruck dieses Blattes wäre jedem Leser aufgefallen, daß es nicht vom Landrat, sondern von Kreisleiter Menze (= NSDAP) stammte. Erfreulich ist, daß erwähnt wird, daß die Deutschen in Tirschtiegel den „Deutschen Tag“ als Dank für das Verbleiben beim Reich feierten – so wie die Polen das Wiedererstehen ihres Staates feierten.

Brandenburg und nicht Reichsgau Wartheland
Auch die Zeit nach 1933 wird sehr gut beschrieben. Leider ist dem Autor ein Fehler unterlaufen. Auf S. 67 schreibt er, daß Tirschtiegel nach Ausbruch des 2. Weltkries „... dem Wartheland einverleibt wurde.” Dies ist falsch!
Die 1921 von der Weimarer Republik geschaffene Grenzmark Posen-Westpreußen wurde von den Nationalsozialisten mit Wirkung vom 1.10.1938 aufgelöst und der Kreis Meseritz – mit Tirschtiegel – der Provinz Brandenburg zugeordnet. Daran änderte sich auch nach 1939 nichts, auch wenn viele Bewohner darauf gehofft hatten, daß die Provinz Posen wiedererstehen würde.
Die Nationalsozialisten hatten mit dem Posener Land und den nach Osten anschließenden Gebieten ganz anderes vor. Der Reichsgau Wartheland sollte zu einem nationalsozialistischen Mustergau werden. Richtig geschildert ist dagegen das – auch bei der einfachen Bevölkerung vorhandene – Gefühl der Tilgung der „Schande von Versailles“ und daß die Grenze bestehen blieb, aber die zum Reichsgau Wartheland!

Keine „Heimkehrer“ – ein Neuanfang
Eine besondere Überraschung für die deutschen Leser ist der Text auf S. 68: „Mit der Aussiedlung der Deutschen kam es zur Besiedlung durch polnische Heimkehrer aus dem benachbarten Großpolen, aus Zentralpolen und aus den ehemaligen ostpolnischen Gebieten.“
Auch hier scheint der von Allen als anstößig zu betrachtende Begriff „Heimkehrer“ auf einen Fehler des Übersetzers zurückzugehen, denn im polnischen Text heißt es: „osiedlaniem polskich osadników“ = Ansiedlung von polnischen Siedlern.
Von Heimkehrer kann auch nicht die Rede sein, denn es verließen keine Bewohner in diesen Mengen Tirschtiegel, die nun wieder heimkehrten. Es waren neue Bewohner, die Trzciel seit 1945 besiedelten. Die neuen Bewohner suchten die Tradition bzw. die Anbindung an diese über die ehemaligen Bewohner von Tirschtiegel – dies erkennt man daran, daß sowohl Begegnungen der Versöhnung und Freundschaft (S. 78), als auch Ausgaben des Meseritzer „Heimatgruß“ (S.79) mit abgedruckt werden.

Das vorliegende Buch ist 2011 in Trzciel erschienen und ist trotz seiner Fehler jedem Heimatfreund zu empfehlen, denn die Erläuterungen kann ihm jeder beilegen. Es ist empfehlenswert, bei künftigen Projekten eine auch inhaltliche Zusammenarbeit zu pflegen.

ISBN 978-83-927127-4-9,
leider ist das Buch bereits vergriffen.