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Zur Weihnacht
Foto und Text: Pastor
Stephan Klimm, Bremen-Horn Dez. 2022

Liebe Heimatfreunde!
Kostbarer könnte es
nicht sein: Die Krippe,
die jedes Jahr
wieder unter dem
Tannenbaum unserer
Familie aufgestellt
wird. Dabei ist es
eine einfache Holzkrippe.
Der Stall ist in
die Jahre gekommen,
es fehlen Bretter hier und da. Manches
ist provisorisch geflickt. Auch die Figuren, die
Hirten, Ochs und Esel, dazu Maria und
Joseph, das Kind in der Krippe, tragen Spuren
der Zeit. Zwei Könige fehlen. Doch diese
Krippe könnte kostbarer nicht sein. Denn sie
trägt die Geschichte mit sich in unsere Zeit.
Sie hat die Zeit überdauert, sie ist Zeitzeugin.
Meiner Großmutter, Jahrgang 1901, war es
wichtig diese Krippe durch den Krieg zu retten.
Sie nahm sie mit, als sie und ihre Kinder
ihr Zuhause verlassen mussten. Vor den Bomben
im Ruhrgebiet flohen sie auf das halbwegs
sichere Land.
Und ich frage mich: Was nehme ich mit,
wenn ich nur einen Koffer hätte, oder nur eine,
höchstens zwei Hände, einen Rücken. Was
ist mir kostbar? Wohl vor allem
meine Lieben und sicher auch
das nackte Leben. Auch das
sehe ich in der Krippe.
Vielleicht war deshalb meiner
Großmutter diese Krippe so
kostbar.
Die Krippe war ihr kostbar,
weil sie eine Geschichte erzählt.
Die Geschichte von zuhause
sein und ankommen in
der Fremde. Die Geschichte,
die erzählt, was wir bei allem
Wechsel der Zeiten bewahren
und mit uns tragen, ja noch viel
mehr, was uns bewahrt und
trägt: „Welt ging verloren,
Christ ist geboren, freu dich oh
Christenheit!“ Das singen wir
auch zu dieser Weihnachtszeit wieder zum
Heiligen Abend.
Und wir singen es in Kriegszeiten, in Zeiten
von Energie- und Klimakrise, in der nichts
mehr sicher scheint. Wie kann da weihnachtliche
Freude aufkommen?
Mich berührt die
weihnachtliche Geschichte, weil es um das
geht, was das Leben wirklich kostbar macht,
hier und heute und für die kommende Generation.
Es geht um Frieden auf Erden und den
Menschen ein Wohlgefallen. Es geht darum,
dass die Welt gerettet wird. Es geht um das
nackte Leben, das Kind in der Krippe.
Mich haben die Nachrichten von den ersten
Kindern berührt, die in Kriegszeiten in der
Ukraine geboren wurden. Zeichen der Hoffnung
und Zeichen dafür, wie verwundbar die
Menschen sind und was sie einander antun
können. Ich sehe die Bilder von Krankenhäusern
und Geburtsstationen, die nicht sicher
sind vor den Bomben. All dies ist auf erschreckende
Weise real und zugleich Teil unserer
Geschichte. Denn es zeigt mir und ruft
die Frage wach: Was nehme ich mit, was trägt
mich in dieser Zeit?
Weihnachten sagt: Es ist das Kind, das geboren
ist, das nackte Leben. In Windeln gewickelt
und in einer Krippe liegend, „das habt
zum Zeichen“. (Lk 2,12) So rufen es die Engel
den Hirten in der Weihnachtsgeschichte
zu. Das Kind ist Zeichen der Hoffnung, es ist auch in dir, das Leben ist so unendlich kostbar
und das gilt es zu bewahren.
Wie kostbar waren und sind mir die Gespräche
mit ihnen auf dem Heimatkreistreffen in
Paderborn 2022 gewesen.
Besonders die Geschichten aus ihrer Kindheit
haben mich bewegt. Wie sie Orte der Kindheit
in ihren Herzen tragen und daraus bei
allem Schmerz über Verlust doch eine Kraft
für Versöhnung erhalten. Dieser Geist, der zusammen
mit den polnischen Freundinnen und
Freunden gelebt wird, bewegt mich. Angesicht
der tiefen Umwälzungen der europäischen
und weltweiten Friedensarchitektur, mag das
vielleicht manchmal viel Ausdauer brauchen.
Aber gerade die persönlichen Begegnungen
sind so kostbar, weil sie zur Geschichte von
Weihnachten führen: Im Frieden leben und im
guten Miteinander sein.
Die Krippe meiner Großmutter wurde von
ihr durch die Kriegszeiten hindurch gerettet.
Nach Rückkehr in das teilweise zerstörte Pfarrhaus
im Rheinland wurde sie auch dort wieder
aufgestellt. Es gab immerhin ein Dach über
dem Kopf. Geflüchtete wurden aufgenommen,
alle rückten zusammen. Meine Großmutter
schrieb in ihrem Tagebuch vom Winter 1945,
dass eine ihrer Töchter fragte: „Muss ich
wieder im Stroh schlafen? Das pikst so!“ Meine
Großmutter endete ihren Bericht mit: „Die
Kinder kletterten dann selig in ihre sauber bezogenen
Betten, wir sind wieder alle ‚an Bord‘
– Nun kann es weitergehen.“
„Das habt zum Zeichen, ihr werdet finden
das Kind in Windeln gewickelt und in einer
Krippe liegend.“ Ob mit oder ohne Stroh, das
Kind ist das Zeichen, der Frieden kommt mit
kleinen, aber bedeutsamen Zeichen, die große
Wirkung haben. Zeichen, die Kreise ziehen.
Gott wird Mensch, wird klein wie ein Kind
in der Krippe und teilt, was wir sind, wo immer
wir sind. So wird es weitergehen.
Frohe und gesegnete Weihnachten wünscht Ihnen
Ihr Pastor Stephan Klimm aus Bremen-Horn
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