Bundestagung der Landsmannschaft
Weichsel-Warthe e.V. in Fulda

Text: Albrecht Fischer v. Mollard, Fotos: Dr. M. Sprungala


Der HKr Meseritz ist seit Jahrzehnten assoziiertes Mitglied in der LWW, dem Bundesverband der Landsmannschaft Weichsel-Warthe e.V.. Zu ihr gehören „insbesondere die Deutschen aus dem Posener Land, aus dem Lodzer Industriegebiet und dem übrigen Mittelpolen, aus Galizien und aus Wolhynien“, wie es auf der neuen Webseite der LWW heißt.
Als Vorsitzender des HKr Meseritz und der HKG Birnbaum erhielt ich nach zweijähriger pandemiebedingter Zwangspause wieder eine Einladung zur Teilnahme an der üblicherweise jährlich stattfindenden Bundesversammlung und der daran anschließenden Bundeskulturtagung. Die Veranstaltung fand im Bonifatiushaus, einem Seminar- und Gästehaus der Diözese in Fulda von Freitag, dem 01. bis Sonntag, dem 03. Juli 2022 statt.

Ich bin am Freitag in aller Frühe zu Dr. Sprungala gefahren, der bekanntlich nicht nur Beiratsmitglied des HKr ist, sondern in erster Linie auch Vorsitzender der LWW, wobei diese Funktion dort Bundessprecher heißt. Er nahm mich in seinem PKW nach Fulda mit. Nach dem Einchecken und der Einnahme eines gemeinsamen Mittagessens begann um 13.30 Uhr die Bundesversammlung 2022, die wie jede Jahreshauptversammlung eines eingetragenen Vereins nach den gesetzlich vorgeschriebenen Routinen ablief: Begrüßung der ca. 35 angereisten Delegierten und Gäste, die z.T. aus Polen und sogar aus der Ukraine kamen, Wahl eines Versammlungsleiters, Genehmigung des Protokolls der letzten Bundesversammlung 2019, Erstattung des Geschäftsberichts durch den Bundessprecher, Bericht des Bundesschatzmeisters, Bericht der Kassenprüfer, Neuwahlen des Bundesvorstandes, Anträge und Verschiedenes waren die wesentlichen Eckpunkte einer langen Sitzung, die nur durch eine Kaffeepause unterbrochen wurde und in der Dr. Sprungala für die mittlerweile 43. Amtsperiode der LWW einstimmig erneut zu ihrem Bundessprecher gewählt wurde.

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Weichsel-Warthe e.V. 2022
Während nach dem Abendessen die Stiftung Kulturwerk Wartheland, ein Ableger der LWW, noch ihre mehr als dreistündige Jahresversammlung abhielt, nahm ich die Gelegenheit wahr, mich bei sommerlichen Temperaturen und einer Gerstenkaltschale auf der Terrasse des Bonifatiushauses ganz entspannt mit unseren ebenfalls in Fulda anwesenden Freunden Dr. Czabanska-Rosada, Andrzej Kirmiel und Wojtek Derwich bis in die späteren Abendstunden zu unterhalten – Kontaktpflege, wie sie angenehmer nicht sein kann!


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Weichsel-Warthe e.V. 2022

Die Bundeskulturtagung 2022

am Samstag und Sonntag, (02. und 03. Juli) stand in diesem Jahr unter dem Thema „Was von den Deutschen des Vorkriegspolens aus Polen und der Ukraine geblieben ist – Nicht nur Gräber, auch kulturelle Spuren und völkerverständigende Freundschaften bis heute“.
Nach Begrüßung der Teilnehmer und Eröffnung der Tagung durch den Bundessprecher Dr. Martin Sprungala richtete eine Reihe von Gästen Grußworte an die Anwesenden. Zunächst sprach ein seit 27 in der Ukraine lebender deutscher Wissenschaftler, der Geograf Hans-Chr. Heinz, gefolgt von unserem Freund Andrzej Kirmiel aus Meseritz/Miedzyrzecz, anschließend Pastor Dawid Mendrok aus Leslau/Wloclawek im Dobriner Land, einer polnischen Region östlich der Weichsel, wo er zwei ev. Kirchengemeinden betreut. Danach war Adam Malinski an der Reihe, ein Deutschlehrer aus Obornik/Oborniki, und am Ende überbrachte noch der SPD-Landtagsabgeordneter Turgut Yüksel als Integrationsbeauftragter und Sprecher des Ausschusses für Heimatvertriebene, Aussiedler, Flüchtlinge und Wiedergutmachung die Grü.e des Landes Hessen, das 1990 die Patenschaft für die LWW übernommen hatte.

Die Vortragsreihe eröffnete die allen HGr-Lesern durch die Rubrik „Aus polnischen Zeitungen“ bestens bekannte Prof. Dr. Malgorzata Czabanska- Rosada.
Nach ihrem Dank an die LWW für die Einladung nach Fulda zu kommen, referierte sie über das Thema „Friedhöfe der Kreise Meseritz und Birnbaum als Orte der Erinnerung und Versöhnung“. Während sie über die zahlreichen deutschen Initiativen und deutsch-polnischen Aktionen zur Errichtung von Gedenksteinen in unserer Heimatregion sprach, wurde eine Vielzahl von Fotos von den einzelnen Gedenkstätten gezeigt, darunter Betsche, Birnbaum, Brätz, Dürrlettel, Hochwalde, Neutomischel, Rogsen, Rybojadel und Tirschtiegel. Da die Bilder im Diashow-Modus für eine voreingestellte Zeit stehen blieben, dann automatisch wechselten und dadurch mit dem Vortrag nicht synchron waren, war bei den Zuhörern volle Aufmerksamkeit gefragt, um den Ausführungen der Referentin zu folgen, die am Ende ihres Vortrags dazu aufrief, trotz möglicher Rückschläge in den Bemühungen um Ausgleich, Versöhnung und Freundschaft mit Polen nicht aufzugeben.

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Nach einer 2-stündigen Mittagspause stand am Samstagnachmittag die Ukraine und der Angriffskrieg Russlands im Mittelpunkt der Veranstaltung. Dabei berichtete Hans-Chr. Heinz, der dort lebende und arbeitende Deutsche, hochinteressant, ausführlich und buchstäblich brandaktuell über die derzeitige Situation im Land. Seine Ausführungen waren hinsichtlich des Erfolges des russischen Überfalls auf die Ukraine recht optimistisch, eine Meinung, die bei weitem nicht von allen Anwesenden geteilt wurde, wie die anschließende Aussprache zeigte.
Im Verlauf des Nachmittags trafen weitere prominente Gäste ein, nämlich die Landesbeauftragte der Hessischen Landesregierung für Heimatvertriebene und Spätaussiedler, Frau Margarete Ziegler-Raschdorf, und der Vorsitzende der Landsmannschaft Schlesien, Stephan Rauhut. Nach ihrer Begrüßung durch Dr. Sprungala gaben beide Erklärungen zur politischen Lage in Osteuropa ab und hoben dabei insbesondere das polnische Engagement bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise hervor. Im Übrigen beteiligten sie sich an der regen Diskussion über die Lage in Europa nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine.

Der ohnehin recht angefüllte Arbeitstag setzte sich nach dem Abendessen noch fort mit der Präsentation der neu eingerichteten und im Aufbau befindlichen Internetseite der LWW. Wem der Zugang möglich ist, dem sei ein Besuch der neuen LWW-Internetseite empfohlen: https://weichsel-warthe.de/

Nach der Präsentation des neuen Internetauftritts wurde schließlich noch der Kulturpreis 2022 der Landsmannschaft Weichsel- Warthe verliehen. Dr. Sprungala überreichte ihn an Heinz-Udo Gerke, der viele Jahre Vorsitzender der HKG Mogilno (bis 1919 Regierungsbezirk Bromberg/Bydgoszcz) war und in dieser Funktion gleichzeitig die Heimatzeitung der Gemeinschaft herausgab. Aufgrund der zweijährigen Zwangspause wurde ausnahmsweise ein zweiter Kulturpreis vergeben, und zwar an Przemyslaw Zielnica, der häufig auf Tagungen und ähnlichen Veranstaltungen der LWW als Übersetzer tätig war, mehrere Bücher für die Landsmannschaft ehrenamtlich ins Polnische übersetzt und jetzt die Aufgabe des Web-Masters für die neue Internetseite Weichsel-Warthe.de übernommen hat. Der lange Tag endete schließlich erneut auf der Terrasse des Bonifatiushauses in geselliger Runde.

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Weichsel-Warthe e.V. 2022

Die Bundeskulturtagung 2022
Am Sonntag begann der offizielle Teil der Tagung in der hauseigenen Kapelle mit einer Morgenandacht, die Pastor Mendrok aus Leslau gestaltete. Danach versammelten sich alle Teilnehmer zum obligatorischen Gruppenfoto auf der Freitreppe. Anschließend hielt Dr. Wolfgang Kessler, langjähriger Direktor der Martin-Opitz-Bibliothek Herne und Mitglied des Beirates des HKr Meseritz einen Vortrag mit dem Thema „Was bleibt – von der Zukunft der Erinnerungen an die Deutschen in Polen“.

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In seinem Referat sprach er vom regionalen kulturellen Gedächtnis, von der Notwendigkeit der Anerkennung des Unrechts des Anderen und stellte fest, das Gedächtnis müsse selektiv sein. Die Erinnerung an die Deutschen in Polen hinge letztlich von den Menschen selbst ab Die Anzahl derer, die sich an die Zeit vor 1945 erinnern, werde immer kleiner, wobei deren Erinnerung, soweit überhaupt noch vorhanden, unterschiedlich ausgeprägt sei wie auch unterschiedlich dokumentiert ist, so dass es keine allgemein gültige Aussage gibt. Sicher ist, dass die Erinnerung an die deutsche Geschichte in der polnischen Bevölkerung gegen Null tendiert und allenfalls ein Lehrfach bleiben wird. Erinnerungen an die Deutschen wird im Wesentlichen vor Ort stattfinden, wobei die Sprachbarrieren zwischen Deutschen, Polen und Ukrainern die Pflege von Erinnerungen zusätzlich erschweren.

Mit einem gemeinsamen Mittagessen endete am Sonntag, dem 03. Juli die interessante Veranstaltung, und der LWW sei auch von dieser Stelle nochmals ein herzlicher Dank für die perfekte Organisation und die Einladung ausgesprochen.


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