Ausflug nach Blesen
Text und Fotos: Joachim Gladisch


Seit vielen Jahren fahren wir immer Anfang Juli zu Besuch zu unseren Verwandten, der Familie Zeh, nach Solben/Slowin. Von Solben aus unternehmen wir dann zahlreiche Verwandtenbesuche in der Heimat.
So sollte es auch in diesem Jahr sein. Nur in diesem Jahr ist alles anders. Aufgrund der Corona- Pandemie haben wir keinen einzigen Verwandtenbesuch unternommen. Wir wollten nicht das Risiko eingehen, unter Umständen jemanden oder uns selbst anzustecken.
Wie alle Dinge im Leben hat auch diese Situation zwei Seiten. Das Positive war, daß wir mehr Zeit zur Erkundung unserer Heimat hatten. Mir fiel ein, daß meine Eltern des Öfteren von dem Ort Blesen/Bledzew sprachen. Ich war noch nie in Blesen und wollte schon immer mal den Ort besichtigen. Also Karte raus und erst einmal gucken, wo genau denn Blesen liegt. Als die Route festgelegt war, fuhren meine Frau und ich mit dem Auto an einem sonnigen späten Sonnabendnachmittag los. Der Weg führte uns über Meseritz/Miêdzyrzecz in Richtung Schwerin/ Skwierzyna. Nach Schwerin und weiter in Richtung Stettin/Szczecin führt inzwischen eine neu gebaute zweispurige Schnellstraße, die S 3. Wir wählten jedoch bewußt die „alte Strecke“, die am Glembuchsee/Jezioro Glêbokie vorbeiführt. Bei nur wenig Verkehr fuhren, man muß schon fast sagen, glitten wir über die herrlich durch Wälder führende Straße entlang.


Ausflug nach Blesen 2020

Kurz vor Schwerin bogen wir nach links Richtung Poppe/Popowo ab. Vor Poppe hielten wir vor dem Bahnübergang und genossen den Blick aus der Ferne auf das Dorf. Bei herrlicher Sommeratmosphäre konnten wir sogar die Feldlerche singen hören. Erinnerungen an meine Kindheit in Scharzig/Szarcz wurden wach. Am Ortseingang von Poppe liegt rechter Hand ein im Dreieck angelegter, von alten Bäumen umsäumter „Platz“. Den Mittelpunkt des Platzes bildet eine in weiß und blau gehaltene Marienstatue. Am Ortseingang gabelt sich die Straße. In der Mitte zwischen den beiden Straßen liegt, wie in vielen Orten dieser Gegend, die Kirche mit dem umgebenden Kirchhof. Gegenüber dem Haupteingang der Kirche befindet sich ein großer Dorfteich, der bei einem Brand auch als Löschteich dient.


Ausflug nach Blesen 2020Wir fahren weiter über Semmritz/Zemsko und erreichen nach Überquerung der Obra, das Ziel unseres Ausflugs, Blesen. In Blesen fahren wir zunächst zum Friedhof, der auf einem langgezogenen Hügel liegt. Am Friedhofseingang befindet sich das Grab von Leo Hertel, der vor dem 2. Weltkrieg Professor an einem Gymnasium in Posen war und dem die Stiftung für polnisch-deutsche Zusammenarbeit einen Gedenkstein in polnischer und deutscher Sprache gewidmet hat.
Der Weg über den Friedhof ist als Mittelachse angelegt. An den alten Baumstümpfen erkennt man, daß er in der Vergangenheit von großen Bäumen gesäumt war. Leider wurden anstelle der alten Bäume keine jungen Bäume angepflanzt, die dem Friedhof seine alte Charakteristik wiedergegeben hätten. Wir finden auch noch einige wenige Gräber mit deutschen Inschriften. Im Hintergrund des Friedhofs sehen wir eine Friedhofskapelle, die dem Baustil nach zu urteilen aus der Nachkriegszeit stammt.

Ausflug nach Blesen 2020

Danach fahren wir zum Ortszentrum, dem Marktplatz. Dieser ist rechteckig angelegt, modern gepflastert und macht einen ordentlichen Eindruck. Die Mehrheit der umliegenden Häuser ist renoviert und hat einen frischen Anstrich. Auf dem Marktplatz herrscht eine ruhige Samstagabendatmosphäre.
An einer der vier Ecken des Marktplatzes gehen wir in eine Seitenstraße, an deren Beginn der Eingang zur Katharinenkirche liegt. Die Kirche ist aus rotem Backstein gebaut. Das Dach ist neu mit roten Biberschwanzdachziegeln gedeckt. Obwohl der Kirchturm einen intakten Eindruck macht, sind an zwei Ecken in mittlerer Höhe, zahlreiche Ziegel herausgebrochen. Ob das wohl noch Zeugnisse vom Ende des 2. Weltkrieges sind? Wir wissen es nicht.
Eigentlich wollten wir auch noch das Wasserkraftwerk, das einen guten Kilometer vom Ort entfernt liegt, besichtigen, aber die Zeit ist schon fortgeschritten und vermutlich ist an einem Samstagabend keine Besichtigung möglich. Das Wasserkraftwerk wurde in den Jahren 1906 bis 1910 erbaut und ist nun eines der ältesten Wasserkraftwerke in Polen. Es erzeugt mit dem aufgestauten Wasser der Obra elektrischen Strom. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben, wir beschließen es bei einer unserer nächsten Besuchsfahrten zu besichtigen. Wir verlassen den Marktplatz und fahren nach Solben zurück.


Ausflug nach Blesen 2020

Unterwegs machen wir noch einen Abstecher nach Obergörzig/Gorzyca. Wir schauen uns die schöne alte Fachwerkkirche an. Ein Modell dieser Kirche hat unser bereits verstorbene Heimatfreund Alfons Latzke erstellt. Der Heimatkreis Meseritz hat das Modell dem Museum Miedzyrzecz vor zwei Jahren als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt. In der Abenddämmerung sind wir wieder in Solben angekommen und stellen fest, Blesen war den Ausflug wert.


Ausflug nach Blesen 2020