Eine neue Geschichte von Stadt und „Land“ Meseritz
Dr. Wolfgang Kessler

Andrzej Kirmiel: Miêdzyrzecz i zemia miêdzyrzecka. Szkice z przeszlosci [Meseritz und das Meseritzer Land. Skizzen aus der Vergangenheit]. Miêdzyrzecz 2015, 432 S. mit zahlr. Abbildungen Andrzej Kirmiel, Direktor des „Museums des Meseritzer Landes“ in Meseritz, hat „Skizzen aus der Geschichte“ der Stadt Meseritz und des Meseritzer Landes vorgelegt

Das „Meseritzer Land“ umfaßt wesentlich den heutigen Kreis Miêdzyrzecz, d.h. seit 1999 in ungefähr das Gebiet der Landkreise Meseritz und Schwerin (Warthe) seit 1920, dazu frühere Teile des Kreisgebiets im Westen u.a. mit Kloster Paradies, die heute zum Kreis Swiebodzin gehören. Auf 365 Textseiten mit ergänzenden 132 Abbildungen (aus dem Archiv des Heimatkreises Meseritz, dem Kreismuseum Wewelsburg und dem Museum in Meseritz) bietet er weit mehr als „Skizzen“, sondern die erste Gesamtdarstellung der Geschichte der Region aus der Feder eines einzigen Autors. Die Stadt Miêdzyrzecz steht im Mittelpunkt, aber auch die anderen Städte der Region wie Schwerin oder Tirschtiegel und das Land kommen zu ihrem Recht.

Kirmiel ordnet die regionale Geschichte in die Geschichte Großpolens, Preußens und der deutsch-polnischen Beziehungen ein und behandelt fair und unvoreingenommen die vor 1945 mehrheitliche deutsche, die jüdische und die polnische Bevölkerung. Er zeigt, wie das Zusammenleben in diesem „kleinen Vaterland“ funktioniert hat, verschweigt aber auch nicht Konflikte und Fehlverhalten, sondern beschreibt sie abwägend und ausgewogen.
In der Summe bietet er eine hervorragende Gesamtsicht der historischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklungen bis in die Zeit unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg. Auf der Grundlage polnischer und deutscher Quellen und Literatur (darunter auch Beiträge aus dem „Heimatgruß“, vgl. die Bibliographie S. 333- 343) verbindet er geschickt den chronologischen mit dem systematischen Zugang und verknüpft architektonische und topographische Befunde mit historischen Ereignissen und Personen.
So bietet er Orientierungen an und schärft das Bewußtsein und die Verantwortung für das regionale kulturelle Erbe. Damit wird er der deutschen und der polnischen Vergangenheit der Region gerecht und vermeidet das Geschichtsbild verfälschende Einseitigkeiten.

Kirmiel geht chronologisch vor, auf die kurze Beschreibung des Raumes folgen in vier chronologischen Kapiteln und einem die erste Nachkriegszeit ansprechenden „Epilog“ eher systematisch konzipierte Abschnitte zu Einzelthemen wie der „Mittelalterlichen deutschen Kolonisation im Gebiet der Meseritzer Kastellanei“, „Reformation und Gegenreformation“ oder dem „Alltagsleben vor dem Ersten Weltkrieg“. Durch die geschickte Verbindung von chronologischer und systematischer Darstellung gelingt es dem Autor, den heute im „Meseritzer Land“ lebenden Menschen die Vielfältigkeit und Vielschichtigkeit der Geschichte ihrer Heimat zu vermitteln, damit auch Verständnis für die deutsche und die polnische Geschichte des Raumes als historischer Teil Großpolens, der Provinz Posen, Preußens, Deutschlands und wieder Polens.

Das in jeder Hinsicht vorzügliche Buch ist gut geschrieben und gut lesbar. Im Anhang finden die Leser(innen) die polnische Übersetzung von „Meseritz um 1930. Ein Gang durch die Stadt“ von Bürgermeister Paul Hart aus dem Meseritz-Band von 1930, dazu den Vergleich der deutschen und der polnischen Straßennamen der Stadt und ein polnisch-deutsches Ortsverzeichnis (S. 357-359).

Eine deutschsprachige „Zusammenfassung“ (S. 329-331), die Übersetzung des Inhaltsverzeichnisses (S. 359-361) sowie die deutsche Übersetzung der Bildlegenden der 132 Abbildungen (S. 359-365) erleichtern des Polnischen nicht kundigen Leser(inne)n den Zugang zu dem Band, bei dem man nur ein Personen- und Ortsregister vermißt. Darstellungen wie diese bauen Wissensdefizite und Vorurteile ab und dienen dem gegenseitigen Verständnis. Andrzej Kirmiel ist für diese Arbeit zu danken.