Scloß Hiller-GaertringenSchloß Hiller-Gaertringen
Begleittext des Verlags Alexander Duncker und Nachschrift - Bernhard Graf zu Dohna

Die Stadt Betsche wurde im Jahr 1288 auf Empfehlung des Bischofs von Posen gegründet. Im Jahr 1508 erhielt Betsche vom Erzbischof von Warschau die ersten Privilegien und ging später in den Besitz der Bischöfe von Posen über. Von diesen wurde es als Sommersitz genutzt und dazu der Bau des Schlosses um 1694 abgeschlossen.

Das Bild zeigt das Schloß von der Gartenseite in seiner ursprünglichen Form um das Jahr 1880. Im Jahr 1910 - nach der Heirat des Eigentümers, Wilhelm Graf zu Dohna, mit Ottonie v. Kalckreuth aus Kurzig - wurden 2 große Gauben, je eine vorn und hinten, zur Erweiterung der Gästezimmer ausgebaut. 1929 wurde der altersschwache hölzerne Balkon abgerissen, neu aufgemauert und dadurch zugleich ein Austritt aus dem oberen Stockwerk geschaffen.

Der Gedenkstein im Vordergrund erinnert an Sophie v. Hiller, geb. v. Motz, die sich während der Cholera-Epidemie 1830 in der Krankenpflege besonders verdient gemacht hatte. Links im Bild ist die ev. Kirche (1865-1968) zu sehen.

Die Herrschaft Betsche umfaßte ca. 8.900 Morgen, davon 4.700 Morgen Wald, 2.200 Morgen Wasser (Seen) und 2.000 Morgen Landwirtschaft, dazu eine Brennerei und eine Verkaufsgärtnerei.
Nach der 2. Teilung Polens 1793 wurde Betsche preußisch und nach der Verstaatlichung der Kirchengüter (Säkularisation) verlieh der König von Preußen die Herrschaft Betsche 1796 dem Fürsten v. Hohenlohe-Ingelfingen. 1806 kaufte die Betscher Bürgerschaft die Herrschaft von ihm. Sie ging wegen Überschuldung 1817 in den Besitz der Königl. Bank in Berlin über.

1828 kaufte Rudolf Freiherr Hiller v. Gaertringen aus Gärtringen Kr. Böblingen/ Württ., Schwiegersohn des preuß. Finanzministers v. Motz, die Herrschaft zusammen mit 6 Dörfern. Er selbst entwickelte sich im Lauf der Jahre in der Provinz Posen zu einer herausragenden Persönlichkeit- er wurde Mitglied des Posener Provinziallandtages, Landtagsmarschall, Kommendator des wiedergegründeten Johanniterordens für die Provinz Posen und zeitweise stellvertretender Landrat des Kreises Meseritz.

Wegen der katastrophalen örtlichen Schulverhältnisse sorgte er für die Anstellung je eines evangelischen und katholischen Lehrers und gründete 1835 die ev. Schule. Ab 1830 hielt er in seinem Haus auch ev. Gottesdienste ab und 1835 wurde Betsche mit umliegenden Dörfern eine selbständige Pfarre; er bezahlte den Pfarrer und stellte die Wohnung. 1865 wurde die neuerbaute ev. Kirche eingeweiht. Für den Bau hatte er das Grundstück, den größten Teil des Baumaterials und einen Geldbetrag zur Verfügung gestellt. Ein Jahr später - 1866 - starb er und wurde neben seiner vorher verstorbenen Ehefrau Sophie auf dem umfriedeten Teil des ev. Friedhofs beigesetzt. Die Herrschaft erbte seine Tochter Sophie, seit 1844 mit Bernhard Graf zu Dohna aus Kotzenau in Schlesien verheiratet. 1868 wurde die Herrschaft Betsche zur Erinnerung an ihren Vater Rudolf in "Hiller-Gaertringen" umbenannt. Nach dem frühen Tod von Sophie im Jahr 1870 trat ihr Sohn Rudolf Graf zu Dohna (1845-1904), seit 1879 verheiratet mit Ruth v. Dallwitz (1857-1939) aus Tornow in der Prignitz die Erbschaft an.

Der nächste und letzte Erbe, Wilhelm Graf zu Dohna (1884-1945), stand von 1904 bis 1910 im Dienst bei den Leibgardehusarenin Potsdam. Während dieser Zeit bewirtschaftete seine Mutter Ruth sehr tatkräftig das Gut und baute den größten Teil der Wirtschaftsgebäude neu auf. Als ihren Altersruhesitz errichtete sie das "Seehaus" am Betscher Stadtsee. 1910 übernahm Wilhelm die Bewirtschaftung und heiratete Ottonie v. Kalckreuth (1888-1963). Aus der Ehe gingen 2 Söhne hervor: Alexander (1911-1938), Oberleutnant und Jagdflieger, fiel im Luftkampf als Anghöriger der Legion Condor in Spanien. Und Bernhard (1914-), Oberstleutnant a.D. der Bundeswehr, seit 1944 verheiratet mit Vera v. Tiedemann.

Wilhelm Graf zu Dohna machte sich nach dem 1. Weltkrieg im Grenzschutz, als "Stahlhelm-Führer", Vorsitzender des Kreislandbundes Meseritz und anderer Ehrenämter verdient. Er fiel im Januar 1945 beim Einmarsch der Russen in seinem Wald.

Nach 1945 nutzten die Polen das Schloß im Hochparterre als Büroräume und betrieben im Saal eine Kantine. Im Obergeschoß zogen Familien ein und im Keller wurde eine Gemeinschaftsküche eingerichtet.

Nach dem Ende des Kommunismus brach die landwirtschaftliche Nutzung allmählich zusammen, nur die Brennerei blieb noch eine gewisse Zeit in Betrieb. Das Schloß steht nun zum Verkauf. Im "Seehaus" befindet sich die Verwaltung des Landschaftsschutzparks Betsche.

Der ev. Friedhof wurde 1973/74 von auswärtigen Arbeitskommandos zerstört und der Schutt abgefahren. Die ev. Kirche wurde 1968 abgerissen und der Turm gesprengt.


Hinweis: Nach dem Verkauf des Schlosses 2004 an Lukasz Robak wurde das Gut restauriert und teilweise zu einem Hotel umgewandelt - mehr Informationen und eine kurze Geschichte des Gutes durch Ludwig Graf zu Dohna aus Anlass eines in 2012 dort stattgefundenen Seminars finden Sie hier.