Stiftung für deutsch-polnische Nachbarschaft
1. Seminar in Pszczew / Betsche
Brunfriede Fischer von Mollard

Wie ein tiefes Durchatmen, ein Kraftschöpfen waren diese 8 Tage in Betsche / Pszczew und Tirschtiegel/Trzciel für mich.

Sie begannen mit dem ersten deutsch-polnischen Seminar der Stiftung für polnisch-deutsche Nachbarschaft, das in Betsche vom 7.9. bis 9.9.2012 unter dem Thema: „Neue Relationen in den polnisch-deutschen Verhältnissen“ stattfand.

Der junge Besitzer des ehemaligen Gutes Hiller von Gärtringen, Lukasz Robak hatte dazu eingeladen. Es fanden sich ca. 30 Teilnehmer in Betsche auf dem grosszügig angelegten Gutshof des früheren Besitzers Graf zu Dohna ein. Überall sieht man heute die zielstrebigen Zukunftspläne von Lukasz Robak angelegt und zum Teil schon verwirklicht.

Unser Seminar fand in dem edel restaurierten Kellergewölbe der alten Brennerei statt. Früher lagerten hier Kartoffeln. Heute dienen diese Räume der Küche des Hotels und einem sehr gemütlichen Speiseraum. Darüber liegen die Gästezimmer. Aus dem früheren Schloß soll später ein Senioren- Wohnheim werden und irgendwo auf dem Grundstück ist auch noch der Platz für einen Wellness-Bereich geplant. An der Einfahrt zum Hotel „Folwark Pszczew“ liegt der Parkplatz und anschließend eine gärtnerisch gestaltete Anlage mit einladenden Sitzbänken.

Seminartage:
7.9.12
Anreise der Gäste (u.a. Berlin und Bremen)

8.9.12
Nach dem Frühstück eine sehr herzliche Begrüssung durch das Ehepaar Zaneta und Lukasz Robak in Polnisch und Deutsch. Beide lernten sich auf einer Konferenz über deutsch-polnische Beziehungen kennen. Danach folgte die Vorstellung der Seminarteilnehmer. Nach einer kurzen Erfrischungspause gab es durch Ludwig zu Dohna einen Rückblick auf die Geschichte des Gutes Betsche.
Nach dem Mittagessen wurden wir bei strahlendem Sonnenschein mit einem Ausflug mit drei Kutschengespannen in die wunderschöne Umgebung von Betsche überrascht. Eingebaute Überraschungen ließen uns ein bißchen näher kennen lernen. Nach einem gemütlichen Abendbrot folgte ein „bunter Abend“ mit Musik, Gesang und vielen Gesprächen. Ich erfuhr mit Staunen, daß mancher Betscher 1945 nicht ausgewiesen wurde, sondern auf Grund seines polnischen Namens und polnischer Sprachkenntnisse in der Heimat bleiben durfte. Es war unter uns am letzten Abend im heimeligen Kellergewölbe der alten Brennerei eine heimatlich warme Stimmung.

9.9.12
Am Sonntagmorgen endete nach einem unterhaltsamen Frühstück die Veranstaltung mit einer herzlichen Verabschiedung und dem Plan: Das 2. Seminar der „Stiftung für deutsch – polnische Nachbarschaft“ findet 2013 statt.


Zur Stiftung deutsch - polnischer Nachbarschaft
Die Stiftung ist eine Institution des öffentlichen Rechts, gegründet und angemeldet durch Zaneta und Lukasz Robak am 21. 7. 2011. Durch die Stiftung werden sich beide Stiftungsgründer für die deutsch-polnischen Beziehungen engagieren und nehmen neue Mitglieder auf. Dazu wollen sie auch jeden einladen, der sich aktiv für dieses Ziel einsetzen will. Mitglied kann jeder werden, der sich für die Stiftung gesellschaftlich, finanziell bzw. materiell oder auf andere Art und Weise in der Stiftung engagiert.

Die Stiftung soll eine Botschaft für die ehemaligen und die jetzigen Bewohner von Betsche / Pszczew und des ganzen Kreises Meseritz sein, die sich durch die Stiftung als öffentlich rechtliche Person engagieren können. Eingeladen dazu sind also besonders die Heimatfreunde unserer Heimatkreise Meseritz und Birnbaum.
Jedes Mitglied wird einen Mitgliedsausweis erhalten. Wichtig ist unter anderem auch, daß die Stiftung Auszeichnungen, Ehrenmedaillen verleihen kann und diese samt anderen Preisen und Auszeichnungen an natürliche und juristische Personen, die sich um die Stiftung verdient gemacht haben, bzw. für die deutsch-polnischen Beziehungen aktiv sind.

Ziele der Stiftung:
1. Verbreitung der gegenseitigen Kenntnisse der Polen und Deutschen über die beiden Nachbarländer.
2. Maßnahmen zum Aufbau von neuen guten deutschpolnischen Beziehungen.
3. Unterstützung der Integration beider Völker in wissenschaftlicher, kultureller und geschäftlicher Hinsicht.
4. Maßnahmen zur Chancengleichheit für schwächere, bzw. durch soziale Ausgrenzung bedrohte Gruppen: Behinderte, Kinder und Jugendliche aus Problemfamilien oder wirtschaftlich, sozial oder kulturell vernachlässigten Gebieten.

Anschrift:
Lukasz Robak
ul. Stefana Batorego 11
PL - 66330 Pszczew
Anfahrt Autobahn A2 Berlin-Poznan, Abfahrt Trzciel
Telefon: (0048) 500 21 04 12 – (0048) 505 19 19 24
Fax.: (0048) 957 49 13 83
E-Mail: folwark@szczew.com.pl
Internet: www.folwark.pszczew.com.pl


Ansprache an die Seminar - Teilnehmer Pszczew / Betsche
Ludwig Graf zu Dohna

„Über das Plakat am Eingang mit der Geschichte des Gutes Betsche habe ich mich besonders gefreut. Als ich im Heimatgruß die Anzeige mit der Ankündigung dieses Seminars zum Thema „Erinnerungskultur im Kontext der neuen deutsch-polnischen Beziehungen“ gelesen habe, war es für mich eine Herzensangelegenheit daran teilzunehmen.
Der Aufforderung, einige Worte an die Teilnehmer zu richten, komme ich dankend und gerne nach, und tue dies besonders als Enkelsohn von Wilhelm, der ja zu Pferde am Eingang uns alle begrüsst.
Seit 1973 besuche ich regelmäßig Betsche. Es haben sich in diesen Jahren viele Freundschaften entwickelt. Besonders mit Wanda und ihrer gesamten Familie ist eine ganz enge Beziehung entstanden. Wie oft ist sie mit mir, meinem Vater und meiner Mutter durch die Gegend gefahren. Das Leben und Wirken meines Großvaters begleitete uns bei den Besuchen vieler Betscher Familien.
Zwei Diktaturen, die unseren Völkern Wunden geschlagen haben, die folgende Kolchosenbewirtschaftung und die spätere Pleite konnten nicht verhindern, das Gut Betsche aus dem 60jährigen „Dornröschenschlaf“ zu wecken.
Aufgeweckt hast Du, mein lieber Lukasz das Gut. Das, was die Kolchosenbewirtschafter übriggelassen haben, erhältst Du und baust es aus. Das Alte bleibt, das Neue kommt hinzu. Den ganzen Tag über beobachten Beatrice und ich, wie Du viele Menschen beschäftigst, um hier eine neue Anlage und Existenz unter Berücksichtigung der alten Bausubstanz auf die Beinezu stellen.
So wie Du jetzt hier verwurzelt bist, so war es meine Familie und besonders Wilhelm, dessen würdiger Nachfolger Du bist. Mit Deinen Visionen und Aktivitäten wird alles wieder lebendig und schön. Meine Eltern Bernhard und Vera, über deren Hochzeit am 02.06.1944 man heute noch spricht, begleiten Dich mit ihren Wünschen. Genau so werden meine Wünsche und die von Beatrice, die sich in Betsche verliebt hat, Dich begleiten.
Im Folgenden werde ich einen Abriß zu der Geschichte des Gutes geben, die als recht schillernd angesehen werden kann:



Geschichte des Gutes und Schlosses Betsche
Das Gut umfaßte ca. 8.900 Morgen, davon ca. 4.700 Morgen Wald, ca. 2.200 Morgen Wasser und ca. 2.000 Morgen Landwirtschaft.
1508 erhielt Betsche vom Erzbischof von Warschau die ersten Privilegien, ging später in den Besitz des Bischofs von Posen über.
1654 Bau des Schlosses durch Bischof Szoldrski in Posen als Sommerresidenz.
1792 Zweite Teilung Polens, Betsche wird preußisch.
1796 wurde nach Verstaatlichung der Kirchengüter die Herrschaft Betsche vom König in Preußen dem Fürsten Hohenlohe – Ingelfingen verliehen.
1806 kaufte die Betscher Bürgerschaft die Herrschaft. Wegen Zahlungsunfähigkeit fiel die Herrschaft an die Königliche Bank in Berlin.
1807 – 1815 Napoleon besetzt Preußen und gründet das Herzogtum Warschau. Betsche wird wieder polnisch, nach dem Wiener Kongress 1815 wieder preußisch.
1828 Die Königliche Bank in Berlin verkauft Schloß und Gut an Rudolf Freiherrn Hiller von Gärtringen (Schwiegersohn des Friedrich von Motz, Finanzminister in Preußen). Freiherr Hiller von Gärtringen wurde 1853 Landesmarschall und Komtur des wieder gegründeten Johanniter-Ordens der Provinz Posen. Es gelingt ihm, das heruntergewirtschaftete Gut wieder in Ordnung zu bringen. Er wurde 1836 Mitglied des Posener Provinzial Landtages und 1847 Landtagsmarschall.
1830 während der Cholera-Epidemie, pflegte seine Frau Sophie geb. von Motz, die Kranken und sorgte sich besonders um die Kinder. Wegen der schlechten Schulverhältnisse sorgte er für die Anstellung eines evangelischen und eines katholischen Lehrers und gründete die evangelische Schule. Ab 1830 wurden die evangelischen Gottesdienste im Schloß abgehalten.
1855 wurde Betsche mit den umliegenden Dörfern eine selbständige Pfarre. Er bestellte und bezahlte den Pfarrer und sorgte auch für die Wohnung.

1865 wurde die evangelische Kirche eingeweiht. Für den vorausgegangenen Bau stellte er das Grundstück, den größten Teil des Baumaterials und einen hohen Geldbetrag zur Verfügung.
1866 starb Rudolf und wurde neben seiner vorher verstorbenen Ehefrau auf der eingefriedeten Familiengrabstätte des evangelischen Friedhofs beigesetzt. Die Herrschaft erbte seine Tochter Sophie, die mit meinem Ur-Urgroßvater Bernhard Graf zu Dohna aus dem Hause Kotzenau in Schlesien seit 1844 verheiratet war.
1870 fallen Schloß und Gut an den Sohn Rudolf Graf zu Dohna, geb. 1845 – gest. 1904, verheiratet mit Ruth von Dallwitz geb. 1857 – gest. 1939.
1904 fallen Schloß und Gut in der Erbfolge an den 1884 geborenen Sohn Wilhelm.
1904 – 1910 wirtschaftete seine Mutter Ruth allein sehr tatkräftig und baute den größten Teil der Wirtschaftsgebäude neu auf. Für sich selbst baute sie das kleine Haus am See, in dem sie bis zu ihrem Tode lebte. Heute befindet sich dort die örtliche Forstverwaltung.
1910 übernahm Wilhelm Graf zu Dohna die Bewirtschaftung, nachdem er als Leutnant im Leibgarde- Husarenregiment in Potsdam seinen Abschied genommen hatte. Im gleichen Jahr Vermählung mit Ottonie v. Kalckreuth, geb. 1888 in Kurzig, gest. 1963 in Celle.
1911 Geburt des ersten Sohnes Alexander, der als Oberleutnant und Jagdflieger im Luftkampf als Angehöriger der Legion Condor in Spanien 1938 fiel.
1914 Geburt des zweiten Sohnes Bernhard, meines Vaters.
1918 wurde mein Großvater als Rittmeister d. Res., nachdem er am Ersten Weltkrieg teilgenommen hatte, entlassen. In den Jahren danach hat er sich im Grenzschutz als Führer des „Stahlhelm“ des Landesverbandes „Ostmark“, Vorsitzender des Kreislandbundes und anderer Ehrenämter bis 1933 verdient gemacht.
1933 nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten legte er alle Ämter nieder, da er nicht bereit war, in die entsprechenden NS-Organisationen einzutreten. Dabei wurde er kurzzeitig verhaftet. Am Zweiten Weltkrieg nahm er als Offizier bis 1944 teil und war zum Schluß Kommandeur des Don- Kosaken-Regimentes in der Kosaken-Division des Generals von Pannwitz und schied dann aus Altersgründen als Oberst d. Res. 60jährig aus.
1944 Vermählung meines Vaters Bernhard mit Vera geb. v. Tiedemann, geb 1922. Zum Ende des Zweiten Weltkrieges war mein Vater Bernhard Graf zu Dohna nach Verlust seines linken Armes als Major im Oberkommando des Heeres eingesetzt.
1945 im Januar: Flucht meiner Großmutter Ottonie und meiner Mutter Vera nach Boostedt in Schleswig- Holstein.
Am 29. Januar 1945 wurde der von meinem Großvater Wilhelm geführte Treck, dem Mitarbeiter, die Betscher Bürger und Wehrmachtsteile angehörten, von sowjetischen Truppen noch im Betscher Wald abgefangen, wobei bei dem stattgefundenen Schußwechsel mein Großvater den Tod fand.
1945 am 23. Februar Geburt des ältesten Sohnes Ludwig in Neumünster (Schleswig-Holstein). Es folgten die Kinder Albrecht geb 1946, Huberta geb. 1948 und Ada geb. 1955.
1946 Enteignung und endgültige Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus Betsche. Das Schloß und Gut wurde verstaatlicht. Flächen anderer Höfe und Güter wurden von Betsche aus bewirtschaftet. Im Schloß wurde im Erdgeschoß der ehemalige Wohnteil in Büroräume umgebaut. Saal und Eßzimmer wurden als Kantine genutzt. Das Arbeitszimmer meines Großvaters wurde Arbeitszimmer des Kolchosenverwalters. In das Obergeschoß zogen polnische Arbeiterfamilien ein. Die Wirtschaftsgebäude wurden nur teilweise genutzt und wurden dem Verfall preisgegeben. Die Verkaufsgärtnerei und das Bienenhaus sind nicht mehr erkennbar. Die Brennerei wurde erweitert. Die Revierförstereien Waldecke und Annnahof wurden zur Materialbeschaffung abgerissen und sind auch nicht mehr erkennbar. Die Kirche wurde anfangs als Lagerraum verwendet, das Gestühl abgebaut und in die evangelische Kirche in Meseritz, die eine katholische Kirche wurde, eingebaut.

1965, nach 100jährigem Bestehen, wurde die Kirche abgerissen. Eine Pioniereinheit sprengte den Turm. Das Abbruchmaterial wurde als Baumaterial weggeschafft.
1973 wurde der evangelische Friedhof durch ein auswärtiges Arbeitskommando bis zur Unkenntlichkeit zerstört und der Bauschutt und die Grabsteine in einer Grube vergraben.
Im Sommer 2003 wurden ein Gedenkstein am Friedhof gesetzt und eine Gedenktafel für die zerstörte Kirche angebracht. Mit Unterstützung der katholischen Kirchengemeinde wurde beides bei einem ökumenischen Gottesdienst im Sommer 2003 feierlich eingeweiht.
1989 brach die Bewirtschaftung des Gutes zusammen. Die Flächen wurden teilweise an den Kolchosenverwalter verpachtet, der dann kurz darauf in Konkurs ging. Das Schloß und die Gebäude begannen zu zerfallen.
2004 / 2005 Lukasz Robak kauft die Gutsgebäude und beginnt erfolgreich zu investieren.
2006 wurde ein Gedenkstein für die Kirche gesetzt.“