FOTOGRAFIEN - ZEUGEN DER GESCHICHTE

Erinnerungen an Politzig mit dem Rittergut Rodatz
Von Herybert Schulz - Fotos aus dem Nachlaß der Familie v. Meibom.

Die Nachkommen des ehemaligen Landrates des Kreises Meseritz übergaben der Redaktion des Heimatgrußes vor einiger Zeit aus dem Familienbesitz etliche Alben mit Fotos aus dem Kreisgebiet. Nach Durchsicht der Unterlagen wurde beschlossen, über einige Objekte des Kreises und deren Bewohner zu berichten.
Als ehemaliger Politziger möchte ich hiermit die bereits vorliegenden Aufzeichnungen aus dem Dorfleben im ehemaligen Politzig ergänzen.

Politzig mit dem Rittergut Rodatz


In den Heimatbüchern Teil 1 und Teil 2 haben der ehemalige Pfarrer Karl Weise und auch der Brennereiverwalter Herr Ahl den Ort und seine Bewohner beschrieben. Von den ca. 280 Einwohnern des Ortes waren rund 60 % im Rittergut Rodatz beschäftigt. Das Rittergut war also der Bestimmer im Dorf.
Der Standort des Gutes befand sich in der Mitte des Ortes. Der gesamte Besitz wie Wirtschaftshof mit den Ställen, der Brennerei, Inspektor- Haus, Werkstätten, dem Schloß mit Park und großem Garten war ein zusammenhängender Komplex.
Dieses Grundstück wurde westlich vom Bahnhofsweg, nach Norden durch die Eisenbahnlinie Meseritz – Birnbaum, nach Osten durch die Obra und das Grundstück des Landwirtes Karl Keckert, sowie südlich durch die Dorfstraße begrenzt. Des weiteren befanden sich auf diesem Standort noch die Evangelische Kirche, das Pfarrhaus und die gutseigene Gärtnerei.

Politzig mit dem Rittergut Rodatz


Nach überschlägiger Berechnung betrug das gesamte Grundstück etwa 14 ha, davon kamen auf den Wirtschaftshof etwa 6 ha und auf den Park mit Schloß, Kirche und Garten etwa 8 ha. Die Arbeits- und Lebensverhältnisse zwischen der Familie des Gutsherrn Maximilian Rodatz und der Belegschaft, sowie die Verbindung zu den übrigen Dorfbewohnern war einfach beispielhaft. Finanzielle Notlagen im Gutsbetrieb Politzig sind eigentlich nie aufgetreten.

Die Land- und Forstwirtschaft wie auch die gesamte Tierzucht wurde von ausgebildetem Personal vorgenommen. Die einzelnen Familien waren mit dem Arbeitgeber und auch dem Ort verbunden und daher auch seßhaft. Politzig konnte etliche Vereine vorweisen, die das gesellige Zusammenleben förderten. Der Gutsherr soll immer der Mittelpunkt gewesen sein.
Nach dem frühen Tod des Maximilian Rodatz Mitte der 30er Jahre übernahm sein Neffe die Leitung des Betriebes. Sicher waren damit etliche Veränderungen verbunden, im Allgemeinen wurde jedoch der althergebrachte Rhythmus erhalten. Mit Beginn des Krieges im September 1939, ja auch schon einige Jahre vorher, nach der Machtübernahme der Nazis veränderte sich so manches. Es wurde auf einen Krieg hin gearbeitet. Es begann eine aufregende Zeit.
Aus den Großstädten kamen Opfer der Bombenangriffe. Zusätzliche Unterkünfte mußten her. Es wurde immer aufregender. Das Pfarrhaus wurde von einem Kinderheim aus Hamburg belegt. Pfarrer Karl Weise war 1938 in Pension gegangen und verzogen. Es kam noch schlimmer. Der Krieg geht für uns verloren, so die allgemeine Stimmung!

Am 29. Januar 1945 verließen alle Politziger, ohne die Männer vom Volkssturm, mit einem Sonderzug das Dorf. Nach 33 Stunden Bahnfahrt sind wir dann in Pritzwalk, Ostprignitz gelandet. Welch ein Glück, daß wir mit einem Sonderzug flüchten konnten. Welche Sorgen und Nöte hatten die Menschen, die mit dem Treck, oder in Güterwagen die Heimat verlassen mußten? In Pritzwalk sind wir dann alle verteilt worden. Die Bürger vom Gut kamen auf umliegende Dörfer, bis hin nach Mecklenburg. Etliche Politziger haben sich nie mehr wiedergesehen. Ein völlig neues Leben begann für uns alle!

Politzig mit dem Rittergut Rodatz


Etwa drei Stunden nach unserer Abfahrt waren die ersten Russen in Politzig. Während die Panzer die Straßen nutzten, wählte die Infanterie den Weg über Heidemühle- Annahof, entlang der Obra. Die deutsche Wehrmacht hatte sich bereits zurück gezogen.
Gleich nach der Besetzung des Ortes brannten in der Mitte des Dorfes einige Häuser ab. Die Brände setzten sich fort und so war die Mitte des Dorfes nur noch ein Schutthaufen. Die ev. Kirche wurde nach Einzug der Truppen als Pferdestall genutzt. Später, am 10. März 1945, brannte sie dann ab. Nach Berichten von Augenzeugen waren beide Kirchenglocken während des Feuers geschmolzen.
Das Schloß war bis zu dem Zeitpunkt noch erhalten. Auf Anweisung der sowjetischen Truppen wurden dort 100 ehemalige Ostarbeiter einquartiert. Diese waren auf dem Weg von Deutschland zurück in ihre Heimat.
Während dieser Zeit muß dann das Schloß in Brand geraten sein, so daß 2/3 des Gebäudes ein Opfer der Flammen wurden. Damit war der Mittelpunkt des Dorfes total vernichtet. Die Dorfmitte, einmal das Aushängeschild unseres lieben Heimatortes, nur noch ein Schandfleck.