Teil - 1
Das Regenwurmlager bei Kainscht

Ein Materialiensammlung von Joachim Schmidt - Abbildungen: Archiv HGr

Was wissen wir vom Regenwurmlager?
Das Regenwurmlager war ein großer militärischer Kasernenkomplex im Kainschter Wald, benannt nach dem nahen Flüßchen Regenwurm. Das Flüßchen, vom Piesker Fließ her kommend, war am Lager zu einem kleinen Waldsee aufgestaut und mündete ca. 6 km weiter in den Kurziger See.
In die Kampflinien des Ostwalls eingebettet, ähnlich wie weiter südlich das Tiborlager, befand sich der Kasernenkomplex im Wald gut versteckt und weiträumig abgeschirmt, so daß auch die Bewohner der naheliegenden Dörfer nicht so recht wußten, um was es dort ging. Man hatte dunkelhäutige Soldaten in deutschen Uniformen mit Turban gesehen – was zu allen möglichen Gerüchten führte.
Es sollen dort auch Leute für die Abwehrabteilung des OKW von Admiral W. Canaris ausgebildet worden sein. Welche Aufgaben das Regenwurmlager hatte, wie weit es mit dem Ostwall in Verbindung stand, was dort im Einzelnen geschah, wissen wir bis heute nicht. So konnten wir auch Fragen von interessierten Heimatfreunden und Militärhistorikern zum Regenwurmlager nicht beantworten.
Nach dem Krieg wurden die kaum zerstörten Kasernen über Jahre von der Roten Armee genutzt, später von der polnischen Armee – heute gibt es dort ein gutes Hotel „Keszyca Lesna“ für den Tourismus, einige Werkstätten und von Problemfamilien bewohnte Kasernen. Der Rest zerfällt.
DIe Vereinszeitschrift Heimatgruß hat sich mit den Aufgaben und dem Leben in dieser großen militärischen Einrichtung im westlichen Gebiet unseres Heimatkreises noch nicht beschäftigt. (Nur eine Bildveröffentlichung im HGr 158, S.17)
Sollten Heimatfreunde oder Leser zur Beantwortung der oben gestellten Fragen beitragen können, sind wir gern bereit, dieses zu veröffenlichen. J.S..

Regenwurmlager Kainscht - KarteMatthias Ziefer
Der folgende Bericht zum Regenwurmlager im Kreis Meseritz ist mit seinen Bildern u.a. auch ein wertvolles zeithistorisches Dokument aus den Anfängen der Indischen Legion in Deutschland.

950. Infanterie-Regiment (Ind.)
Das Regiment war unter dem Namen „Indische Legion“ bekannt. Der Aufstellungsstab wurde kurz nach Kriegsbeginn am 8./ 9. Dezember 1941 durch Beschluß der Berliner Konferenz befohlen und eingerichtet. Zur Aufstellung des Regimentes kam es aber erst am 16.4.1943 in Frankenberg (WK IV) bei Chemnitz.
Noch herrschte in Deutschland der Siegeswahn und man glaubte, mit Hilfe der Indischen Legion in kurzer Zeit in Asien gegen die Engländer militärisch aktiv werden zu können. Unterstellt wurde das Regiment am 25.5.1943 der 16. Feld-Division (L) in Beverlo (Belgien), ab 31.8.1943 der 344. Infanterie-Division in Bordeaux und ab 8.1.1944 der 159. Reserve-Division.
Die Indische Legion „Azad Hind“ (auch Bajadere genannt) wurde aus freiwilligen Kriegsgefangenen in Afrika und den Lagern in Deutschland gebildet. Ihr Kampf war ausschließlich für die Freiheit Indiens und somit gegen England gerichtet. Die Legion bestand aus zwei Drittel Moslems und einem Drittel Hindus und Sikhs. Ihr Einsatz ist umstritten. Sie war u.a. zu Sicherungsaufgaben am Atlantikwall eingesetzt. Militärische Bedeutung als kämpfende Truppe hatte sie im geringen Maß. Ihren Fahneneid legte sie sowohl auf Hitler als auch auf den indischen Nationalistenführer Subhash Chandra Bose ab.
Da für eine Vergrößerung der Legion der Standort Frankenberg ungeeignet war, wurden 1942 zunächst auf dem Truppenübungsplatz Königsbrück bei Dresden vom Wehrkreis IV neue Unterkünfte zur Verfügung gestellt.
Von den 3 500 einsatzfähigen indischen Soldaten dürfte sich nur ein unbedeutend kleiner, handverlesener Teil im Regenwurmlager aufgehalten haben. Die Gruppe der indischen Legionäre im Regenwurmlager gehörte zum „Lehrregiment Brandenburg“, das von Rittmeister Walter Harbich, einem Abwehroffizier, geführt wurde.

Gruppenbild indisches Regiment, Regenwurmlager


Gruppenbild
Im Regenwurmlager befand sich während des Krieges eine Kompanie von ca. 180 Soldaten aus verschiedenen Nationen. Auf dem Gruppenfoto tragen in Uniformen der Deutschen Wehrmacht 18 Soldaten einen Turban. Der Kasernenkomplex im Kainschter Wald wurde von der Heeresstandortverwaltung Meseritz betreut, die es dabei in erster Linie mit Leuten der Abwehrabteilung des OKW von Admiral Canaris zu tun hatte. Sie bildeten im Regenwurmlager V-Männer bzw. Mitarbeiter für den Abwehrdienst aus. Daß der Handlungshintergrund sich vom Nationalsozialismus her weltanschaulich- politisch verstand, ist sicher (J.S.).

Ob es sich bei dem obigen Gruppenbild aus dem Regenwurmlager um Freiwillige oder Kriegsgefangene handelt, ist nicht mehr sicher nachzuweisen. Sicher ist: Das Regenwurmlager war ein Ort der weltanschaulichen Umerziehung von Ausländern, die später in der Wehrmacht dienten. Die fehlenden Hoheitszeichen an den Uniformen Einzelner liegt vermutlich daran, daß sie frisch eingekleidet und noch nicht vereidigt waren (Matthias Ziefer).

Karin Ruppelt
Erinnerungen an die Kindheitstage ihrer Mutter im Regenwurmlager.

Meine Mutter ist wahrscheinlich die letzte Zeitzeugin, die das Regenwurmlager in der Kriegszeit sehr gut kannte.
Sie ist eine in Landsberg/ W. geborene Neumann. Ihr Großvater besaß in Meseritz eine Bäckerei & Konditorei. Sie besuchte in Meseritz die Schule, wuchs aber im Regenwurmlager auf. Ihr Vater Otto Neumann war dort der Friseurmeister.
Es ist kaum bekannt, daß es im Regenwurmlager auch zivile Familien mit Kindern gab. Meine Mutter träumt heute noch oft vom Lager und geht dort durch die vertrauten Straßen spazieren.
2011 besuchte ich das Regenwurmlager und machte Fotos, die meine Mutter mit ihren alten Fotos vergleicht. Weil die vertrauten Personen fehlen, möchte sie das Lager nicht mehr besuchen.
Es ist ihr aber eine Freude zu wissen, daß es noch vorhanden ist und wieder bewohnt wird. Ein Pole zeigte mit Stolz das von ihm wieder hergerichtete Gebäude und seine Wohnung.

Regenwurmlager bei Kainscht Regenwurmlager bei Kainscht Regenwurmlager bei Kainscht Regenwurmlager bei Kainscht Feldpostkarten - Regenwurmlager bei Kainscht