Vor 400 Jahren:
Erstes Auftreten der Familie v. Kalckreuth im Posener Land (Wielkopolska)

Ein Text von Dr. Martin Sprungala

Wappen der v. KalckreuthDie Familie v. Kalckreuth kann ihre Herkunft bis ins Mittelalter zurückverfolgen. Das ist bäuerlichen und bürgerlichen Familien kaum möglich, aber da deren Verbreitung ebenso vonstatten ging wie die adeliger Familien ist es interessant zu verfolgen, wie eine Familie aus Franken ins Posener Land kam, denn im Gefolge des Adels kamen auch Bauern und Bürger. Die Kalckreuth stammen aus dem einst gleichnamigen Ort Kalchreuth nördlich von Nürnberg, im Herzen Frankens. Wie der Name Franken schon andeutet, stammen dessen namengebende Bewohner aus dem Reich der Franken, vermutlich aus dem heutigen Frankreich.

Man kann also eine über viele Jahrhunderte reichende Ostwanderung in Europa feststellen, der die Katastrophe des 20. Jahrhunderts, der 2. Weltkrieg und die Nazi-Herrschaft, nicht nur ein Ende setzte, sondern die Rückführung dieser vor Jahrhunderten eingewanderten, längst verwurzelten (autochthonen) Bevölkerung auslöste. In Polen sprach man nach 1945 von der „Repatriierung“, der Rückführung dieser Bevölkerung in ihr Vaterland. Wäre diese Katastrophe nicht über die Menschen hereingebrochen, dann könnten auch die Kalckreuth in diesem Jahr ihr 400jähriges Jubiläum in Wielkopolska (Großpolen) feiern, so aber endete ihr Leben im Posener Land im Jahre 1945. Trotzdem ist dieses Jubiläum ein guter Grund, zurückzuschauen auf eine lange Entwicklung und das Wirken der Familie im Posener Land.

Von Franken nach Brandenburg und Polen
Der Ort Kalchreuth war ein Reichslehen des römischen Kaisers und deutschen Königs, des obersten Herrn im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation. Selbst hier in Franken siedelten im 8. Jahrhundert Slawen, die von Karl dem Großen unterworfen wurden. In vielen Orten besaß der Kaiser eigene Höfe, die der Versorgung des stets auf Wanderschaft befindlichen Hofstaates dienten, so gehörte dem Monarchen auch in Kalchreuth ein Reichslehen in der Größe von zwei Hufen Landes. Der Kaiser belehnte seine Gefolgsleute mit solchen Lehen, damit sie ihre Leute und sich selbst damit finanzieren konnten. Zu diesen Gefolgsleuten zählten auch die Kalckreuth.
Im 13. Jahrhundert hatten sie dieses Lehen jedoch längst verlassen, das nun den Burggrafen von Nürnberg aus dem Hause Hohenzollern gehörte, und besaßen Güter
im Raum Ansbach. Bereits im 12. Jahrhundert sind Familienmitglieder in den
Osten ausgewandert, in die Markgrafschaft Meißen. Von hier aus zogen sie weiter in die Niederlausitz und in das Herzogtum Sagan. Andere Zweige der Familie findet man in Böhmen und dem böhmischen Lehen Schlesien – vor allem in Oberschlesien, aber auch im österreichischen Vorarlberg. Der Meißener Zweig gründete als Stammsitz die Burg Kalkreuth a. d. Röder bei Großenhain.

Tal bei KalchreuthHier wird Heinrich v. Kalckreuth 1284 erstmals genannt. Hier saß die Familie über Generationen. Von hier aus zogen jüngere Söhne weiter gen Osten. Heinrichs Enkel, Conrad v. Kalckreuth, trat in die Dienste des Herzogs von Sagan.
Sein Nachkomme, Rudolf v. Kalckreuth (gen. Rule), erwarb die Gutsherrschaft Pommerzig (Pomorsko, Kr. Crossen a. d. Oder, Neumark) und begründete einen eigenen Zweig der Familie. Die Geschichte der Familie ist seither eng mit dem Auf und Ab der brandenburgischen Geschichte verbunden. Rule war ein streitlustiger Ritter, der sich gerne einem Dienstherrn anbot, aber auch seine eigenen Rechte vertrat. Wir würden heute von ihm als einem Söldnerführer oder auch Raubritter sprechen. 1443 führte er mit anderen Rittern eine Fehde gegen den Deutschen Orden und plante einen Angriff auf die Ordensburg Landsberg/ Warthe. Da diese Kriegszüge oft nicht im Interesse der Landesherren waren, ging man in jener Zeit daran, den Landfrieden durch das Verbot solcher Fehden zu sichern.
Kaiser Friedrich III. (1415-1493) hatte sich noch nur um seinen eigenen Landerwerb gekümmert, erst sein Sohn Maximilian I. (1459-1519) drohte jedem mit der Reichsacht, der den Landfrieden brach. Rule bot seine Dienste jedem an, der gut bezahlte, daher stand er 1454 im Dienst des einst bekämpften Deutschen Ordens, der zum Krieg gegen Polen rüstete. Er errang in der Tucheler Heide einen kleinen Sieg, der aber an der Niederlage des Ordens nichts änderte.
Fünf Generationen lang war Pommerzig Stammsitz dieses Zweiges der Kalckreuth und nach Sitte der Zeit wurden die Güter immer wieder unter die Erben geteilt, so daß sie letztendlich zugrunde gingen. Seit dem 16. Jahrhundert war Pommerzig Lehen der Brandenburger Kurfürsten, die seit 1417 von den Hohenzollern gestellt wurden. Die Kalckreuth waren somit den Spuren ihrer fränkischen Nachbarn gefolgt und dienten ihnen über Jahrhunderte. Rules Urenkel Hieronimus v. Kalckreuth († 1619) besaß nur noch einen Teil von Pommerzig. Diesen verkaufte er 1602, um mit dem Geld zwei Güter an der Warthe, Hermsdorf (Herstop) und Lauske (Krasne Dlusko, Kr. Schwerin), in Polen zu kaufen. Über diesen Landeswechsel berichtet der Mitgift- und Leibgedingevertrag für seine zweite Frau aus dem Jahre 1607.
Hieronimus verkaufte 1609 seinen letzten neumärkischen Besitz und wechselte damit endgültig ins benachbarte Polen. Wie gut integriert die Familie war, zeigt sich daran, daß bereits zwei seiner Töchter polnische Adelige heirateten. Hieronimus folgte bald ein Verwandter, Hans Sigismund, der seinen Anteil an Dolzig Kr. Sorau NL verkauft hatte und mit dem Geld das Gut Prittisch (Przytoczna, Kr. Schwerin) erwarb.

A. v. KalckreuthDer Aufstieg der Familie unter
Adam v. Kalckreuth

Hieronimus starb wenige Jahre nach seiner Niederlassung in Polen. Sein Sohn Maximilian v. Kalckreuth († 1671) erbte Hermsdorf und konnte dank der Mitgift seiner Frau die Brüder ausbezahlen. Bruder Heinrich besaß die Güter Widawa (-) und Lissen (Lysiny, Kr. Fraustadt), Hans Sigismund heiratete die Kusine und Erbin in Prittisch. Auf Maximilian folgte sein Sohn Adam v. Kalckreuth (1638-1711), der die Familie zur ersten Blüte führte. 1663 warb er um die Hand der Witwe Margarethe v. Unruh (1628-1680), geb. v. Nostitz, die die Güter Driebitz (Drzewce, Kr. Fraustadt) und Monschin (Madzin, Kr. Lissa) mit in die Ehe brachte. Zusätzlich pachtete er von der verschuldeten Stadt Fraustadt (Wschowa) das Kämmereidorf Pritschen (Przyczyna).
1670 trieb es den rührigen Adam von Kalckreuter, wie er in den Dokumenten heißt, in die Ferne. Er schloß sich den brandenburgischen Hilfstruppen des Großen Kurfürsten für König Michal Korybut Wisniowiecki an, bei denen auch sein brandenburger Vetter Carl Magnus aus Goltzen bei Züllichau diente.
Im Krieg gegen die Osmanen erwarben sich beide Vettern hohe Verdienste und auf dem Krönungsreichstag (1676) verlieh der neue König, Jan Sobieski, ihnen das Indigenat – das Bürgerrecht. Sie wurden damit feierlich in die Szlachta (poln. Adel) aufgenommen und durften künftig mit ihr den polnischen König wählen, ein extrem seltenes Privileg für Protestanten. Die von Jan Sobieski unterschriebene Indigenatsurkunde ist bis heute in Familienbesitz.
Von dem Privileg, nach freiem Ermessen Güter erwerben zu dürfen, machte Adam nach seiner Rückkehr reichlich Gebrauch. Im späteren Kreis Rawitsch erwarb er die bei Bojanowo liegenden Güter Golina, Bukowka, Gerlachowo und Dabrowka. Als seine Frau 1680 starb heiratete er, als erster, eine polnische Adelige: Zofia v. Bojanowska. Die Bojanowski, Gründer der Stadt Bojanowo, waren ebenfalls evangelisch. Nach dem Tod seiner 2. Frau heiratete Adam erneut eine polnische Adelige aus deutschem Geschlecht, Anna Helena v. Seherr-Thoß aus Weigmannsdorf (Wynanczyce, Kr. Fraustadt).
Mit dem Indigenat erwarb Adam auch das Recht, Ämter in Polen zu bekleiden, auch wenn ihm aufgrund seines geringen Vermögens und seiner Konfession die höchsten Ämter verschlossen blieben. Adam wurde Starost von Kosten (Koscian) und konnte als solcher auch die starosteilichen Güter bewirtschaften.
Mit 60 Jahren (1698) trieb ihn noch einmal die Unruhe. Er verkaufte all seinen Besitz und erwarb für 60.000 Gulden das Gut Muchocin im späteren Kreis Birnbaum, das bis 1945 Sitz der Familie blieb. Noch im selben Jahr erwarb er das Gut Politzig (Policko) mit Vorwerk Janau (Janowo).
Nach und nach erwarb er noch die verschiedenen Teile des Gutes Bobelwitz (Bobowicko) von den v. Seydlitz’schen Erben hinzu. Ebenso wie seine Unruh’schen Verwandten siedelte auch Adam, wenngleich in sehr geringem Umfang, deutsche Bauern in Hauländersiedlungen an (1708-1711).

Halle KaufhofDas Haus Muchocin
Adam, der erste in Polen geborene Kalckreuth, hinterließ vier Söhne, die alle ihren Erbteil erhielten. Der älteste, aus 1. Ehe stammende, Adam Erdmann (1665-1724) heiratete eine Polin, die ein Gut im Kreis Czarnikau mit in die Ehe einbrachte.
Adam und seine Nachkommen betrachteten Güter nicht als Familienbesitz und Stammsitz, sondern als Handels- und Tauschobjekte, wie das in jener Zeit üblich war. Sie besaßen Güter in den Kreisen Czarnikau, Samter und Meseritz.
Der zweite Sohn, Carl Sigismund (*1668), erbte, nach Tausch von Erbansprüchen mit den Brüdern, ganz Bobelwitz. Da seine Söhne früh starben, ging nach seinem Tod der Gutsbesitz an seinen Schwiegersohn Stefan v. Dziembowski (bis 1945 im Familienbesitz). Wegen seiner übermütigen, tollkühnen Unternehmungen wurde er auch der „tolle Kalckreuth“ genannt.
Ludwig (n.1695-1725), der jüngste, erbte Alt Zattum (Zatom Stary, Kr.Birnbaum) und Klassowice (-). Dieser Zweig der Familie starb mit dem Tod des Sohnes Alexander (1724-1786) aus. Er hatte seinen Besitz gegen Politzig getauscht, das er seiner Nichte Christiane
v. Dziembowski vererbte.
Das Gut Muchocin, das zum Stammsitz der Meseritzer Kalckreuth wurde, erbte Leonhard v. Kalckreuth (1693-1768). Da auch er mehrere Söhne hatte, war es ratsam weitere Güter zu erwerben, daher kaufte er 1726 Kurnatowitze (Kurnatowice, Kr. Birnbaum) und Prittisch, das er nur wenige Jahre besaß, da er die dortige katholische Kirche wiederaufbauen sollte, was ihm aber nicht möglich war. Mit dem Käufer v. Zakrzewski tauscht er Prittisch gegen Oporowo (Oporowo, Kr. Samter) ein. 1754 erwarb er von seinem Schwager, Zygmunt v. Bronikowski, das Gut Kurzig (Kursko, Kr. Meseritz). Leonhard klagte oft über die Schwierigkeiten, die er als Protestant in Polen in jener Zeit hatte.
Bemerkenswert ist, daß die Kalckreuth stets Deutsche blieben und auch ihre Namen nie polonisierten wie andere deutschstämmige Adelige. Mit Leonhards Tod teilte sich die Familie in zwei Linien: Sigismund erbte Kurzig und wurde der Gründer der Zweige in Kurzig, Weißensee (Chycina), Obergörzig (Gorzyca) und Samst (Ziemsko/Zamostow(k)o), alle Kr. Meseritz sowie Stentsch Kr. Schwiebus.

Muchocin erbte August Lobegott v. Kalckreuth (1735-1804). Die beiden anderen Söhne gründeten eigene Familien, ohne auf ihrem Besitz neue Gutslinien zu bilden. August verkaufte seine Ansprüche auf die Güter der Brüder, denn in Polen herrschte Inflation und er brauchte das Geld um seine nicht immer erfolgreichen Geschäfte zu finanzieren. Ihm blieb nur das wenig rentable Gut Muchocin.
1793 geriet Großpolen durch die 2. Teilung Polens unter preußische Herrschaft und die Kalckreuth waren seither nicht mehr Untertanen des polnischen, sondern des preußischen Königs. Mit der neuen Herrschaft änderte sich einiges für die Familie. Als Protestanten waren die Kalckreuth immer im Nachteil gewesen, denn bis zuletzt wirkte die Gegenreformation in der polnischen Adelsrepublik, sie waren quasi Untertanen 2. Kategorie. Mit den Preußen kam die Religionsfreiheit, bzw. die Begünstigung des Protestantismus. Auch die Rückständigkeit Polens wurde radikal beseitigt. Bis dahin war Polen das Paradies des Adels, der selbstherrlich agieren konnte, wie er wollte. Preußen war ein moderner Staat, ein Rechtsstaat. Diese Folgen spürte auch August v. Kalckreuth. In Preußen mußte man fest vorgegebene Steuern zahlen, was vorher in Polen nicht üblich gewesen war. Nun wurde in der Gutsherrschaft die Buchführung notwendig, alles mußte umstrukturiert werden. Auch die Rechte der einfachen Bevölkerung waren nun einklagbar, daher verwundert es nicht, daß auch August in eine Vielzahl von Prozessen verwickelt wurde. Er war ein Mann der alten Zeit, eine Anpassung an das Neue konnte erst unter seinem Sohn und Nachfolger Carl Wladislaus v. Kalckreuth (1773-1836) erfolgen.

Seit 1804 war Carl Herr auf Muchocin, nachdem er Preußen 15 Jahre als Soldat gedient hatte. Der Anfang war schwer, denn kurz zuvor erlitt die Familie einen schweren wirtschaftlichen Schicksalsschlag. 1803 war das Gutshaus mit vielen Wirtschaftsgebäuden Opfer eines Brandes geworden. Das Gut Muchocin warf nicht genug Geld ab, daher war die Familie gezwungen, König Friedrich Wilhelm III. um einen finanziellen Gnadenerweis zu bitten, mit dem das neue Gutshaus erbaut werden konnte.
Die schweren Jahre gingen weiter, denn 1806 brach Preußen unter den militärischen Schlägen Napoleons zusammen und das Posener Land wurde als Herzogtum Warschau zum französischen Vasallenstaat, der finanziell und personell für Napoleons Kriege ausgepreßt wurde.
Angesichts dieser schweren Zeiten verzichteten Carls Brüder auf ihr Erbteil, denn ansonsten wäre Muchocin bankrott gewesen. Es grenzt an ein Wunder, daß das Gut diese schweren Zeiten überstanden hat. Die Brüder Carls verdienten, ebenso wie er einst, ihren Lebensunterhalt vor allem als Soldaten im Dienst der Preußen. Das Gut Muchocin übernahm später Carls Bruder Boguslaw v. Kalckreuth (1769-1843)
Um seine Familie zu ernähren hatte Carl bereits 1797 das Gut Glashütte bei Tirschtiegel gepachtet. Im Jahr 1800 wechselte er auf das ertragreichere Gut Bulakow (Bulaków, Kr. Koschmin).
Nach dem Tod seiner ersten Frau, Louise v. Zychlinski (1770-1820), heiratete er die Tochter eines Domänenpächters, Emilie Tempelhoff, die aber bald – ebenso wie ihr einziger Sohn – verstarb. Im Jahr 1830 lief der Pachtvertrag für Bulakow aus und Carl wechselte nach Bielsko östl. Birnbaum, das er samt Dombrowka von seiner ersten Schwiegermutter geerbt hatte. Hier verstarb Carl im Jahr 1836.

C. E. v. KalckreuthSein Erbe wurde sein Sohn Carl Eduard v. Kalckreuth (1800-1864). Auch er war als junger Mann preußischer Soldat. Als erster in der Familie ging er auf Reisen, in den Süden Deutschlands und nach Italien, um etwas von der Welt kennenzulernen. Im Jahr 1825 pachtete er das Gut Neu Obra (Nowa Obra, Kr. Koschmin), um praktische Erfahrungen als Landwirt zu sammeln, zudem heiratete er die jüngere Schwester seiner Stiefmutter, Albertine Tempelhoff (1800-1837). Immer wieder ging er aber auch auf Reisen und zu Wehrübungen (so z. B. im Jahr des polnischen Aufstands, 1830).
Ein Jahr nach dem Tod seines Vaters verstarb seine Frau am Kindbettfieber. In zweiter Ehe heiratete er Sophie Baronesse v. Plessen-Meerheimb (1804- 1847), die ein vornehmes Leben in Ludwigslust gewohnt war, wo ihr Vater mecklenburgischer Oberstallmeister gewesen war. Sie konnte sich nie an das Leben in der „Provinz“ gewöhnen und drei Jahre später ließ sich das Paar scheiden.
Seit dem Tod des Vaters verwaltete Carl Eduard die Güter Bielsko und Dombrowka und nach dem Tod des Onkels Boguslaw auch Muchocin, das er unter Schwierigkeiten nach dem Tod der Tante erbte, wozu er 1850 zur Abgeltung anderer Erbansprüche Dombrowka verkaufte.
Im darauffolgenden Jahr übersiedelte er von Bielsko nach Muchocin. Mit großer Energie ging er daran, Muchocin wirtschaftlich wieder rentabel zu machen. Dazu zählen u.a. Rezesse, Vergleiche mit den Bauern (Hauländern) zur Ablösung der gegenseitigen Rechtsansprüche. 1862 verkaufte er Bielsko, um Geld für weiteres Land zur Arrondierung von Muchocin und dessen Sanierung zu bekommen. Carl Eduard genoß großes Ansehen, daher trug man ihm 1858 das Amt eines Deichhauptmanns im hiesigen Wartheabschnitt (Muchocin-Marienwalde) an.

C. E. v. KalckreuthNach Carl Eduards Tod übernahm sein Sohn Carl Otto v. Kalckreuth (1835-1900) das Gut Muchocin. Anders als sein Vater war der intelligente und ehrgeizige Mann nicht wirklich beliebt, er war zu nüchtern und wenig emotional. Der sehr große Mann hatte ebenso wie seine Vorfahren eine Militärlaufbahn eingeschlagen und lebte bis 1864 in Weimar, woher auch seine Frau, Diana Gräfin Beust (1845-1926), stammt. Als Soldat wurde er auch im deutschen Einigungskrieg von 1870/71 reaktiviert. Otto zählte zu den wichtigen Persönlichkeiten im Kreis Birnbaum und schlug eine politische Laufbahn ein. Er war Mitglied im Preußischen Abgeordnetenhaus (1879-88) und von 1876 bis 1886 Landrat von Birnbaum.
Das Jahr 1887 sollte sein Schicksalsjahr werden, dabei hatte es verheißungsvoll begonnen. Innenminister v. Puttkamer bat ihn, für den Reichstag im Kreis Birnbaum anzutreten, doch bei der Vorwahl fiel er bereits durch. Auch in seiner Tätigkeit als Landrat sah er sich von der Posener Regierung gemaßregelt und willigte zur Konfliktlösung ein, vorerst in den Urlaub zu gehen. Es bildete sich eine immer offener werdende Kampagne gegen ihn, die ihn ermüdete, so daß er auf sein Amt als Landrat und gleichzeitig auf eine Wiederwahl für den Landtag verzichtet. Er zog sich unbeugsam und verletzt ins Privatleben zurück. Er war zeitlebens gesundheitlich angeschlagen, nun verfiel er einem langsamen Siechtum..

W. v. KalckreuthAuch dem nächsten Gutsherrn in Muchocin, Wilhelm v. Kalckreuth (1873-1915), war kein langes Leben vergönnt. Er wuchs bereits überregionaler auf als seine Vorfahren. Er besuchte ein Internat in Ilfeld/Unterharz und wurde gemäß der Familientradition nach dem Abitur Soldat in Münster. Im Sommer 1899 heiratete er seine entfernte Kusine Clara Alexandra v. Kalckreuth aus Kurzig.
Kurz darauf verstarb der Vater und Wilhelm übernahm das Gut. Ein gutes Leben war trotz aller Modernisierungsanstrengungen immer noch nicht zu erwirtschaften.
Aus diesem Grunde lehnte er die Teilnahme an der Elektrifizierung ab und war damit weit und breit der einzige Gutsherr, der dies tat.
Im Jahr 1914 brach der 1. Weltkrieg aus und Wilhelm sah sich veranlaßt, sich sofort zu den Waffen zu melden. Er kam als Kompanieführer in den Argonner Wald, wo er mehrere Verwundungen erlitt, nach denen ihm ein Fronteinsatz altershalber nicht mehr zugebilligt wurde. Da Kavallerieoffiziere nicht mehr gefragt waren, meldete er sich zur Artillerie. Schon bald mußte er erkennen, daß die ständigen Artillerieangriffe wenig Sinn machen. Er meldete sich zur „Fliegertruppe“. Bei seinem zweiten Flug als Beobachter geriet er bei Mailly/Lothringen in einen Luftkampf und das Flugzeug wurde abgeschossen. Wilhelm hinterließ einen Sohn und zwei Töchter.

J. v. KalckreuthJoachim v. Kalckreuth (1902-1970) war von schwacher Gesundheit. Um aus ihm einen echten Mann zu machen, schickte ihn seine Mutter in das preußische Kadettenkorps nach Potsdam und Berlin-Lichterfelde. Mit dem Kriegsende geriet seine Heimat in Gefahr.
Ende Dezember 1918 brach in Posen der Großpolnische Aufstand aus und schon bald war auch der Kreis Birnbaum von polnischen Aufständischen besetzt. Joachim beteiligte sich aktiv am deutschen Grenzschutz. Er erhielt im Kampf bei Kolno Mühle östl. Birnbaum einen Lungensteckschuß und kam 1919 in das polnische Lager Szczypiorno (bei Kalisch). Durch den Versailler Vertrag wurde Muchocin Teil des neuen polnischen Staates und die Kalckreuth polnische Staatsbürger. Joachim beendete in Frankfurt/ O. seine Schulausbildung und begann eine landwirtschaftliche Ausbildung in Pommern und im Kreis Szamotuly (Samter).
1923 wurde er dann zum polnischen Militär eingezogen, danach beendete er seine landwirtschaftliche Ausbildung und studierte ab 1925 in München Ackerbaulehre und Betriebswirtschaft. Muchocin überstand die Wirren jener Jahre, vor allem die polnische Währungsreform von 1924, die die Schulden und nicht das Kapital vernichtete. Auch die polnischen Parzellierungspläne kamen nicht zum Tragen, da der Boden in Muchocin zu schlecht war. Allerdings vernichtete die Forleule große Teile des Muchociner Waldes.
Im Jahr 1927 starb Joachims Onkel, Leonhard v. Kalckreuth, Gutsherr auf Obergörzig und Samst und er erbte dessen in Deutschland liegenden Güter. Als Angehöriger der polnischen Armee war es ihm aber nicht erlaubt, nach Obergörzig überzusiedeln, deshalb ging seine Mutter dorthin.
Es war eine schwierige familiäre wie auch wirtschaftliche Situation, mit der Joachim zu kämpfen hatte. 1929 heiratete er Marie v. Helldorff (1908-1989). Die Eheleute hatten drei Kinder.
Die politischen Umstände erschwerten die Verhältnisse immer weiter. Muchocin war nicht modern, hatte zu viele Arbeiter, aber die Anschaffung von Landmaschinen konnte man sich nicht erlauben, zum einen war das Gut nicht ertragreich genug, zum anderen hätte es einen empörten Aufschrei im aufgeheizten Polen gegeben, wenn der deutsche Gutsherr aus Rationalisierungsgründen polnische Arbeiter entlassen hätte.
Das Gut verschuldete immer weiter, so gesehen war der Polenfeldzug des 3. Reiches die Rettung des Gutes vor dem Bankrott und gleichzeitig der Anfang vom Ende. Ebenso wie Joachim vor dem Krieg zwischen Polen und Deutschen vermittelt hatte, tat er es auch nach 1939 und geriet damit in den Fokus der Reichsbehörden. Er hielt es daher für ratsam, trotz seiner Asthmaerkrankung, sich freiwillig zur Wehrmacht zu melden.

Die Familie ahnte, was kommen würde und bereitete heimlich die Flucht vor, so daß sie im Januar 1945 nicht unvorbereitet war. Dennoch brachte der Krieg große Verluste: das Gut und große Teile des Besitzes waren verloren, das Ehepaar hatte sich so weit auseinandergelebt, daß es sich – in aller Freundschaft – scheiden ließ. Damit endete die Geschichte der Posener Kalckreuth tragisch.